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Fotos: Madita Oeming

Literaturhäuser stellen sich vor: Göttingen

Anziehungspunkt für Denkerinnen und Dichter

Das Literarische Zentrum ist seit seiner Gründung im Jahr 2000 ein Ort, der Lesende und Schreibende zusammenbringt – und mit Veranstaltungs­reihen wie dem „Liederabend“ eine Schnittstelle zu Kunstformen wie Musik oder Performance Art.  Ein Artikel aus BÜCHERmagazin 1/16 von Dr. Anja Johannsen.

In Göttingen scheinen in den letzten 200, 300 Jahren fast alle literarischen Größen wenigstens einmal vom Pferd gestiegen zu sein. Denn auch wenn das hier keine Metropole ist – wegen der ruhmreichen Uni und sicher auch der günstigen geografischen Lage war die Stadt immer ein starker Anziehungspunkt für Denkerinnen und Dichter. Und das ist zum Glück so geblieben! Göttingen ist und bleibt – mit Verlagen wie Wallstein, Steidl, Vandenhoeck & Ruprecht und seinen vielen großenteils nach wie vor inhabergeführten Buchhandlungen – eine Literaturstadt. Sodass wir hier ein hochkarätiges und umfangreiches Veranstaltungsprogramm anbieten können, was gemessen an der Größe der Stadt oftmals überrascht. Diesen Winter erwarten wir zum Beispiel Carolin Emcke als Poetikdozentin, nachdem in den vergangenen Wochen schon Größen wie Miranda July, Vladimir Sorokin und Gary Shteyngart zu Gast waren – und das Festival, den Göttinger Literaturherbst, hat in diesem Jahr kein Geringerer als Jonathan Franzen eröffnet.

Das Literarische Zentrum ist, auch wenn sein Name das nicht direkt verrät, ein Literaturhaus im klassischen Sinn und seit diesem Jahr auch Mitglied im Netzwerk der Literaturhäuser. Natürlich hat sich seit der Gründung 2000 sehr vieles verändert, aber in vielem ist sich das Haus auch treu geblieben: Charakteristikum war es von Anfang an, die Literatur immer wieder auf andere Künste, auf die Medien und Wissenschaften treffen zu lassen, auf Sachbücher, auf Songs, Comicstrips und Performances. Die Veranstaltungsreihe „Liederabend“, bei der es um Songs und Songtexte geht, ist ein sprechendes Beispiel. Da gab es begeisternde Veranstaltungen, z. B. mit Heinrich Detering zu Bob Dylan oder mit Navid Kermani zu Neil Young. An diesen Abenden las niemand aus Büchern, stattdessen hörte man gemeinsam Musik, sah sich Videoclips an und redete über Musik und lyrics.

Besonderen Spaß macht mir persönlich mein Job als Leiterin des Hauses, seit wir hier dauerhaft zu zweit sind. Meine Kollegin und Stellvertreterin Gesa Husemann betreut seit zwei Jahren unser mittlerweile großes Kinder- und Jugendprogramm „Literatur macht Schule“, das sehr eng mit den Schulen in Stadt und Region zusammenarbeitet. Und seit das Literarische Zentrum maßgeblich an der Programmplanung für den Literaturherbst, das schon seit 1991 bestehende Festival, beteiligt ist, leistet Gesa Husemann auch hier großartige Arbeit. Sie ist quasi die Schnittstelle zwischen den beiden großen Literatur-Unternehmungen der Stadt. Aber natürlich könnten wir zu zweit niemals auf die Beine stellen, was hier am Haus alles geschieht. Glücklicherweise haben wir Unterstützung von wechselnden Volontär_innen. Denn gemeinsam mit der Göttinger Uni bietet das Literarische Zentrum jährlich vier Studierenden die Möglichkeit zu einem Volontariat. Nebenbei auch ein Ausbildungsbetrieb zu sein ist zwar manchmal auch anstrengend, aber – und das finde ich viel wichtiger – es weht hier beständig frischer Wind durch das alte Fachwerkgemäuer.

Anja Johannsen (* 1974) hat Germanistik und Philosophie in Berlin, Dublin, Providence, R.I. (USA) und Freiburg i.B. studiert und wurde 2007 mit einer Arbeit über W. G. Sebald, Anne Duden und Herta Müller promoviert. Sie hat für in- und ausländische Verlage übersetzt und lektoriert und zu deutsch- und englischsprachiger Gegenwartsliteratur veröffentlicht. Seit 2010 ist sie Geschäftsführerin und Programmleiterin des Literarischen Zentrums.

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