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Gert Heidenreich

In seiner Anfangszeit als Sprecher beim Hörfunk traf Heidenreich auf einen Mann, der ihn hart kritisierte, ihm viel beibrachte und ihn als Sprecher formte: Robert Michal, damals beim Bayerischen Rundfunk für Literatur-Lesungen und Hörspiele zuständig und 1996 verstorben. Neben Heidenreich gehörte auch Achim Höppner zu jenen Sprechern, die mit Robert Michal gearbeitet und von ihm gelernt haben.

    Als Heidenreich im Funkhaus Robert Michal eines Tages auf dem Gang begegnete, fragte der ihn: „Sie sind doch dieser Heidenreich. Wollen Sie so weitermachen oder wollen Sie arbeiten?“ Heidenreich schluckte, antwortete aber sofort: „Arbeiten!“ Was dann kam, beschreibt Heidenreich so: „Robert Michal hat mich drei Jahre lang gezwiebelt, immer in Produktionen. Und dann haben wir zum ersten Mal ein Stück Literatur aufgenommen, den Aufsatz über das Marionettentheater von Kleist. Ich hatte gedacht, das Ding kenne ich in und auswendig vom Studium her, und er hat mir gesagt: Du hast überhaupt nichts verstanden! Man muss sagen, das war eine Zeit in der im Rundfunk noch sehr sorgfältig gearbeitet wurde. Wir sind auch für Feature, die am Montag aufgenommen wurden, sonntags ins Studio gegangen und haben geprobt. Heute gibt es ja gar keine Proben mehr. Also von der Zeit rede ich. Das heißt, 1971, 1972. Und wenn ich etwas kann, dann verdanke ich das Robert Michal.“ Michal brachte Heidenreich bei, wie man sich einem Text inhaltlich und intellektuell nähert. „Begreife erst einmal. Finde das Zentrum des Satzes, entscheide Dich für seinen Schwerpunkt“, forderte er ihn auf. Und dann musste ihm Heidenreich in die Hand versprechen, dass er zwei Dinge niemals machen würde: Werbung und Synchronsprechen. „Naja, und daran muss ich mich jetzt wohl halten“, sagt Heidenreich lächelnd.

Wenn man eine Typologisierung der Sprecher vornehmen wollte, könnte man wohl zwischen zwei Sprecher-Typen unterscheiden: Die einen, wie Rufus Beck, die einen Roman wie ein Theaterstück vortragen, die die Figuren im Roman förmlich spielen, als stünden sie auf der Bühne, die zur Unterscheidbarkeit der Protagonisten auch mal in Dialekten sprechen. Und die anderen, wie Gert Westphal, die sich eher zurücknehmen, die auf Pausen, Atmung, Betonung und das Heben und Senken der Stimme setzen. Nach diesen beiden Sprecher-Typen gefragt, antwortet Heidenreich: „Ich neige mehr zu der Art, nicht zu stark zu spielen, mit Atem und Zwischentönen zu arbeiten. Rufus Beck agiert aus, das hat er schon auf der Bühne gemacht. Aber ich arbeite sehr über den Kopf und habe dann Skrupel in die Emotionen zu gehen.“ Allerdings habe er beim „Herrn der Ringe“ auch stärker auf das Spielen der Figuren gesetzt. Nach dem Tod von Achim Höppner hat Heidenreich die Lesung der beiden letzten Bände der Trilogie übernommen und auch den „Kleinen Hobbit“ eingelesen. Er habe vor dem Problem gestanden, so Heidenreich, „in der Spur“ von Achim Höppners Stil zu bleiben. Also habe auch er etwas beim Lesen geschauspielert, wenn auch nicht in dem gleichen Maße wie Höppner.

Generell hält Heidenreich den „Herrn der Ringe“ für ein Werk, das man eher spielen muss: „Im Grunde ist der Herr der Ringe ja langatmig, das fand ich schon als Student“, bekennt er, „die reiten da stunden- und tagelang, und reiten und reiten und erzählen sich dann, wie sie geritten sind – also das muss man ausspielen, damit es spannend bleibt. Da habe ich gemerkt, dass das etwas anderes ist, als einen Maigret oder „Der letzte Weynfeld“ von Martin Suter zu lesen.“ Hierbei auf Dialekte zurückzugreifen lehnt Heidenreich jedoch ab: „Das ist literaturfremd. Was soll beim ‚Herrn der Ringe’ oder beim ‚Kleinen Hobbit’ schwäbisch oder sächsisch? Da kann ein Zwerg mal lispeln und ein anderer mal krächzen. Aber das ist es dann auch.“

 

  • Gert Heidenreich im Gespräch mit hörBücher-Redakteur Jörn Radtke.

Für die Hörbuchproduktion seines eigenen Romans „Im Dunkel der Zeit“ musste Heidenreich den Rotstift ansetzen, denn die Vorgabe des Verlages lautete, dass das 400 Seiten-Buch auf sechs CDs „passen“ musste, damit es im Verkaufspreis nicht über dem gedruckten Roman lag. Das hieß, dass Heidenreich den Text auf 300 Seiten kürzen musste. „Das war schlimm. Das tat weh. Das war blutig.“ Ob als Leser oder Autor, Heidenreich bevorzugt die ungekürzte Lesung: Kompression ist eben seine Sache nicht.

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