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Reportage: Jörn Radtke (jr) | Fotos: Siegfried Sperl

Johannes Steck

Eine Stimme mit Wucht

Seefeld-Hechendorf am Wörthsee: Da, wo's hochgeht, liegen die Alpen, und dort, wo's runtergeht, München. Da, wo's runtergeht, liegt auch Johannes Steck privates Tonstudio, im Keller seines Hauses in Seefeld-Hechendorf nämlich. hörBücher ließ sich von dem Sprecher zeigen, wo's langgeht ...

"So etwas kannst du natürlich nicht in ,Stecks Tonstüberl' machen", sagt Johannes Steck, "da brauchst du einen großen Raum, in dem sich die Sprecher gegenüberstehen und beim Sprechen aufeinander reagieren können." Gemeint ist neueste Hörspiel-Produktion, "Antigone" von Jean Anouilh. Gemeint ist das kleine Tonstudio, das er sich im Keller seines Reihenhauses eingerichtet hat. Hier, in einer engen Sprecherkabine liest er die Hörbücher für zahlreiche Verlage ein. Die Antigone aber hat Steck für LangenMüller im Studio "507 Music" in München aufgenommen. Drei Tage Aufnahme, eine Woche Schneiden, fünf Tage Mischen lautet die nüchterne Zahlenreihe für die Produktion. Bevor es soweit war, haben Steck und sein Regisseur und Freund Lutz Schäfer sich mindestens einen Monat auf das Projekt vorbereitet. "Ich habe regelrechte Architekturskizzen für die Szenen gemacht", berichtet Steck: Wer sich in welcher Szene wo im Raum aufhält, wessen Stimme also lauter, wessen Stimme leiser, wessen Stimme mit mehr Hall, welche mit weniger Hall zu hören sein muss. "Den Fokus haben wir immer auf Antigone gesetzt, sie steht stets im Mittelpunkt, weil sie die Hauptfigur ist. Alle anderen Figuren werden um sie herum angeordnet." Diese räumliche Anordnung erzeugt durch Hall und Lautstärke wurde dann nachträglich entsprechend den Skizzen gemischt oder "digital verschickt", wie Steck es bezeichnet. Zum Schluss rundete ein Geräuschemacher das Ganze atmosphärisch ab. Gerne würde er noch weit mehr Hörspiele machen, aber: "Bei einem Hörspiel muss man mit mindestens dem Sechsfachen der Produktionskosten gegenüber einem Hörbuch rechnen. Das können fast nur die Öffentlich-Rechtlichen", lautet sein Urteil.

Mit der Antigone haben Steck und Schäfer eine Aufnahme hingelegt, die sich durchaus neben den Produktionen der öffentlich-rechtlichen Sender hören lassen kann. Schon das erste Hörspiel, das Steck überhaupt produziert hat, war von einer Qualität, die ihm zwei Abnehmer beschert hat: "Long John Silver" konnte er an steinbach sprechende bücher und den Bayerischen Rundfunk verkaufen. 1998 hatte Steck gemeinsam mit Bruno Winzen den gleichnamigen Roman von Björn Larsson vertont: "Wir waren total naiv. Wir haben die Rechte gekauft, das Hörspiel geschrieben und produziert, einfach so, ohne einen Verlag im Rücken - aber etwas anderes blieb uns eigentlich auch gar nicht übrig, weil uns damals kein Schwein kannte", erzählt Steck. Das ist heute anders. Man kennt Steck in der Szene. Vor allem als Hörbuch-Sprecher hat er sich einen Namen gemacht. Rund 120 Hörbücher hat er bislang eingelesen.

Vom Krimi über Fantasy bis hin zum Sach- und Kinderbuch ist alles dabei. Die Biografie von Franz Beckenbauer hat Steck ebenso gelesen wie Mark Twains "Prinz und Bettelknabe" oder Boris Akunins Fandorin-Krimis aus dem Russland des 19. Jahrhunderts. "Leider musste die Fandorin-Reihe nach fünf Bänden eingestellt werden. Die Musik war zu teuer", bedauert Steck. Aber das Sprecher-Leben geht weiter: Mit "Massel und Schlamassel" von Isaac B. Singer hat er es an die Spitze der Hörbuchbestenliste für Kinder und Jugendbücher geschafft. Bei der Produktion dieses Hörbuchs für den Uccello-Verlag (der übrigens fast in der Nachbarschaft von Johannes Steck ebenfalls in Hechendorf seinen Sitz hat) hat auch die Schweizer Klezmer-Band Kolsimcha mitgewirkt. Mit Kolsimcha will Steck jetzt ein interaktives Kinderkonzert auf die Bühne bringen: "Wir erfinden da ein orientalisches Märchen. Es geht um ein Mädchen und einen blinden Jungen, der die Menschen anhand ihrer Melodien erkennt. Jeder Mensch hat ein eigene Melodie, ein böser Mensch eine böse, ein fröhlicher eine fröhliche. Die Kindern können nun durch Trampeln, Schreien oder Klatschen entscheiden, wem sie folgen wollen: dem Mädchen oder dem Jungen. Ich erzähle die Geschichte und Kolsimcha macht die Musik."

Auch bei Hörbüchern ist er ein Verfechter von Musik: "Die Musik bietet dem Zuhörer die Möglichkeit, kurz innezuhalten und das Gehörte zu verarbeiten oder Gefühle zu erzeugen. Es geht nicht darum, das Ganze mit Musik zuzukleistern. Aber das Hörbuch ist ein audibles Medium, und das sollte man nutzen", findet Steck. Angefangen professionell zu sprechen hat er noch als Theaterschauspieler 1996 für die Werbung und für Fernsehsender wie 3Sat und das ZDF, um Geld zu verdienen. Das Abqualifizieren von Sprechern, die Werbung machen, ärgert ihn noch heute, wo er sich längst als Hörbuchsprecher etabliert hat: "Weil einer Werbung macht, muss er doch kein schlechterer Sprecher sein. Diese Einstellung finde ich arrogant!" Schließlich trage es erheblich zum Lebensunterhalt bei, wenn man seine Stimme auch Werbespots leiht. "Brot und Spiele" nennt das Steck, Brotjobs und Spaßjobs. Zu den Spaßjobs zählen für ihn die Hörbuchlesungen und Hörspielproduktionen. Hier hat er noch viel vor. Gerne würde er einmal den "Ulysses" von James Joyce produzieren. "Da würde mich schon die Vorbereitung interessieren. Für mich wäre das Spannende, mich intensiv mit solch einem Stück Weltliteratur zu beschäftigen", schwärmt er.

Umsetzen würde er den "Ulysses" als reine Lesung, ohne Musik, ohne Geräusche und keinen Fall als Hörspiel. Für viele Leute wäre ein solches Hörbuch eine echte Alternative zum Buch. "Ich kenne niemanden, der den Roman wirklich ganz gelesen hat. Einige, die damit angefangen haben, aber dann stecken geblieben sind. Ich könnte mir gut vorstellen, dass der "Ulysses" für sie besser hörbar als zu lesen wäre", so Steck.
Sein Ehrgeiz ist es, dem gelesenen Stoff gerecht zu werden und die Zuhörer zu fesseln. "Beim Lesen gibt es falsch, aber nicht richtig. Es gibt immer viele Möglichkeiten, einen Text zu sprechen", befindet er. Gute Sprecher zeichne aus, dass ihre Hörer gar nicht anders könnten, als ihnen zuzuhören. Und da gebe es viele Wege: "Ein Joachim Kerzel macht es durch seine markante Stimme, ein Gerd Heidenreich durch seine Intelligenz, ein Rufus Beck durch seine Wandelbarkeit."

 

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