Was bleibt, wenn nichts bleibt? – Bruce Webers Buch “My Education”
Fotos sind Zeitspeicher. Lebensanker. Sie bewahren das, was das flüchtige Auge längst vergessen hat: die Art, wie jemand lacht. Der Staub in der Sonne eines Sommernachmittags. Ein Blick, der etwas sagt, was Worte nie erreichen. Bruce Webers neues Buch “My Education” ist ein Archiv des gelebten Lebens – und ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, wie sehr Fotografie Teil unseres kollektiven und persönlichen Gedächtnisses ist.
Weber, einer der einflussreichsten Fotografen seiner Generation, hat nie nur ins Gesicht einer Person geblickt, sondern immer auch in ihre Geschichte. In “My Education” begegnet man nicht nur Stars wie Leonardo DiCaprio oder Louise Bourgeois, sondern auch den Schatten hinter dem Rampenlicht, dem Staunen, der Verletzlichkeit – dem, was bleibt, wenn das Licht erlischt.
Ob intime Porträts oder rauschhafte Editorials: Weber geht es nie um die Pose allein, sondern um das, was sich zwischen zwei Atemzügen zeigt. Der Band folgt keiner chronologischen Ordnung. Vielmehr ist er thematisch aufgebaut – als wollte Weber zeigen, dass Erinnerungen selten linear sind. Sie sind Cluster, emotionale Landkarten.
Familie, Körper, Sexualität, Freundschaft: Das sind die Kapitel, durch die sich Webers Lebenswerk zieht. Und jedes Bild ist wie ein Polaroid des kollektiven Gedächtnisses einer Epoche. Was “My Education” so besonders macht, ist nicht nur die fotografische Brillanz, sondern die Tiefe des Blicks. Fotografien von Bruce Weber wecken in uns eigene Bilder, eigene Erinnerungen. Sie stellen Fragen: Wer waren wir, als dieses Bild entstand? Wer sind wir jetzt? In einer Zeit, in der Bilder in Sekunden verfliegen, ist ein Werk wie dieses ein Innehalten. Und vielleicht auch ein Trost: Dass das, was war, nicht vergeht – solange wir es anschauen.
Bruce Weber: My Education
TASCHEN Verlag, 564 Seiten, 125 Euro, mehrsprachige Ausgabe (Englisch, Französisch, Deutsch)
Bruce Weber. My Education. TASCHEN Verlag