Sexus
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Gelesen von Alexandra Kamp
Informationen: gekürzte Lesung, 250 Minuten, 4 CDs, 22.99 €
Verlag: Deutsche Grammophon
Rezension
„Sexus“ lesen, lohnt sich nicht übermäßig. „Sexus“ hören dagegen sehr. Das liegt an Alexandra Kamp. Sie zeigt sich bei ihrer Lesung von Henry Millers Roman als Sprecherin von enormer Vielseitigkeit. Sie setzt Pausen mit Bedacht, dehnt sie bisweilen bis an die Grenze des Unerträglichen. Sie liest mal mit metallischer Stimme, um dann ins Weiche, Zärtliche zu wechseln. Mal schauspielert sie die wörtliche Rede, mal liest sie in nüchternem Stil einer Nachrichtensprecherin von sexuellen Ausschweifungen. Sehr beeindruckend – auch die Entscheidung, den männlichen Ich-Erzähler bei dieser Aufnahme von einer Frau sprechen zu lassen. Dass „Sexus“ Alexandra Kamps erstes Hörbuch ist, lässt auf mehr hoffen.
Banal wirkt dagegen mittlerweile Henry Millers autobiografische Absage an bürgerliche Normen und sein Plädoyer für ein freies, der Sexualität hemmungslos frönendes (Künstler-)Leben. 1947 hat Miller mit seinen ausführlichen Schilderungen des Geschlechtsaktes, seiner obszönen Ausdrucksweise noch provozieren können. Heutigen Tags, da Jungautorinnen uns in „Feuchtgebiete“ mitnehmen, wirkt ein Miller überholt. Seine Provokation durch das Obszöne zieht nicht mehr, weil das Obszöne Teil des Bürgerlichen, des Alltäglichen geworden ist. Die Stärke des „Sexus“ liegt in Millers Gedanken, die er zwischen den „Ficks“ schildert, in seiner Suche nach einem anderen Leben und sich selbst.
(jr)