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NEW YORK, NEW YORK

Die große, kalte, graue Stadt

Neurologen der Universität Heidelberg zufolge tragen Bewohner von Großstädten ein signifikant höheres Risiko, an Depressionen und Angststörungen zu erkranken. Der Inbegriff der Großstadt ist New York, Traum- und Alptraumstadt zugleich, Gegenstand unzähliger literarischer Werke.

Für die „armen, zusammengedrängten Massen“, die bis ins zwanzigste Jahrhundert auf Ellis Island ankamen, war New York ein Sehnsuchtsort, ein Stein gewordenes Versprechen von Freiheit oder Sicherheit, Reichtum und vielleicht sogar Ruhm. In frühen Einwanderergeschichten ist der Moment, in dem die Freiheitsstatue am Horizont erscheint, ein strahlender.

In vielen Romanen wird die Stadt zur Bedrohung. In „Cash“ von Richard Price geht die Gefahr von Einzelnen aus: Drei Männer werden nach einer durchzechten Nacht überfallen, einer von ihnen erschossen. Und der Hauptzeuge, der Kneipier Eric Cash, hat arge Probleme, zu beweisen, dass nicht er seinen Freund getötet hat. In Ryan David Jahns Thriller „Ein Akt der Gewalt“ ist Gleichgültigkeit die Bedrohung. Mindestens 38 Menschen beobachten, wie eine junge Frau direkt unter ihren Fenstern vergewaltigt und schließlich getötet wird, hören, wie sie um Hilfe fleht – ohne einzugreifen. Das Hörbuch, gelesen von David Nathan, wirkt umso beklemmender, wenn man weiß, dass Jahn ein reales Ereignis verarbeitet: die Ermordung der 28-jährigen Kitty Genovese in Queens am 13. März 1964.

In Literatur und Film ist New York bedrohlich und fast ebenso häufig bedroht – und das nicht erst seit dem Anschlag auf das World Trade Center. In „Defcon One“ sprengen Erpresser, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, das Empire State Building – in einem durch die Ermordung Obamas zutiefst verunsicherten Amerika. Das plastischste und vollständigste Bild der Stadt entwirft vielleicht Michael Cunningham in seinen Romanen „Die Stunden“ und „In die Nacht hinein“. Sein New York ist ein leuchtendes Geflecht aus unzähligen Schicksalen und Beziehungen, Sehnsuchtsort und Stätte des Scheiterns. Übrigens leiden auffallend viele seiner Figuren unter Depressionen.