Jump to Navigation
Interview: Marc Hairapetian (MaHa) | Fotos: Stephan Pramme

Nana Spier

„Beim Dracula-Hörspiel hatte ich meinen ersten Orgasmus“

Nana Spier verkörpert mit ihrer immer leicht lasziven Stimme die pure Erotik im Vampir-Hörbuch-Bereich, egal ob sie Blutsauger jagt oder selbst einen von ihnen spricht. Im Gespräch mit hörBücher gibt sich die 39-jährige Berlinerin unprätentiös, witzig und vor allem selbstkritisch.

hörBücher: Frau Spier, wie sind Sie – als sehr vielseitige Schauspielerin und Sprecherin – so vehement in das Vampir- und Fantasy-Genre gerutscht?

Nana Spier: Seit ich für die Synchronisation der TV-Serie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ besetzt wurde. Ich habe mich zunächst mit dem Vampir-Mythos ganz schwer getan, zumal die Serie gering budgetiert und schlecht gedreht war. Die war so flach, dass ich mich fragte, ob die das wirklich ernst meinen. Allerdings waren schon die zweite und dritte Staffel viel besser. Es gab nicht nur Haudrauf-Kampfszenen, sondern auch viel Dialog und Humor. Auch Buffy wurde sicherer. Ihre Darstellerin Sarah Michelle Gellar wurde angekündigt als Kampfsportmaus, dabei konnte sie nicht mal richtig rennen ... Als die Serie nach sieben Jahren vorbei war, war ich dann aber doch traurig. Denn ich habe meine beiden Kinder während „Buffy“ bekommen, und die 24 Folgen pro Jahr wurden in vier Blöcken um Schwangerschaft und Mutterschutz gelegt – dadurch wächst man als Team zusammen.

Auf „Buffy“ folgte „Faith“?

Ja, zwei Jahre nach „Buffy“ bot mir Simeon Hrissomallis die Hauptrolle in seiner Hörspielreihe an. Faith von Helsing ist wie Buffy auch „nur“ Vampirjägerin. Aber ab dann habe ich ja immer wieder auch Vampire gesprochen.

Wie Betsy Taylor in den Romanen von Mary Janice Davidson?

Richtig. Ich kann mir vorstellen, dass es kein Zufall war, dass Audible ausgerechnet die „Buffy“-Sprecherin ausgewählt hat. Die Reihe läuft ja wie verrückt – und Mary Janice Davidson hört auch nicht auf zu schreiben.

Kein Wunder, sie hat es in Deutschland sogar auf die SPIEGEL-Bestsellerliste geschafft. Können Sie sich den Erfolg dieser „romantic fantasy“, vor allem wohl bei Frauen, erklären?

Weil das „Sex and the City“ auf „Vampirisch“ ist. Mary Janice Davidson rollt das ganze Feld der Vampir-Geschichte noch einmal ganz neu auf. Das ist sehr lustig, denn Betsy kann nicht getötet werden, Knoblauch und Weihwassser sind ihr wurscht – und dabei ist sie auch noch eine echt oberflächliche, arrogante Kuh (lacht), die mit ihrem leichtfertigen Verhalten die anderen Vampire aus der Fassung bringt. Gerade beim ersten Teil habe ich mich derart totgelacht, dass ich bei den Aufnahmen nicht mehr weiterlesen konnte. Die Geschichten entsprechen so gar nicht der normalen Erwartungshaltung bei Vampirromanen, und das macht sie so cool. Eine Vampirin mit einem Fashion-Problem, das ist doch mal was anderes …

Gibt es denn irgendwelche Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Betsy – etwa das Faible für Designerschuhe?

Nein! (lacht) Okay, sie redet so schnell wie ich – und sagt Dinge, ohne vorher nachzudenken. So gesehen, haben wir beide ein ganz großes Fettnapf-Potenzial.

Die Betsy-Taylor-Romane seien genau das richtige für Fans von Chic-Lit-Romanen, heißt es auf der Website des Verlags Egmont-Lyx. Haben Sie gewusst, dass es eine solche Gattung gibt?

Ach? Nein, das ist ja großartig. Aber es trifft den Nagel auf dem Kopf. Deswegen habe ich auch soviel Spaß beim Lesen, da ich die perfekte „Chic Lit“-Stimme habe …

„Buffy“, „Faith“ und die „Betsy“-Romane sind alles Serien. Machen Sie das besonders gerne?

Ja, denn Serien sind für mein Timbre genau richtig. Für ernstzunehmende Literatur ist meine Stimme zu leicht und flatterig. Ich kann viele Dinge auch nicht ernst genug sprechen und keine Bilder im Kopf entstehen lassen. Bei mystischen Geschichten klappt das sofort. Blöd finde ich nur, dass viele Vampir- und Mystik-Autoren voneinander abschreiben. Vor allem nach dem Erfolg der „Twilight“-Reihe wird die Vampir-Teenager-Thematik von anderen Autoren und Produktionsfirmen ausgeschlachtet.

Haben Sie sich schon vor Buffy und Betsy mit Vampiren beschäftigt?

Oh, ja. Ich hatte die „Dracula“-Schallplatte von EUROPA. Konrad Halvers Hörspiel war mein A und O! Ich hatte meinen ersten Orgasmus bei „Dracula“, weil ich das Geräusch vom Aussaugen so wahnsinnig sexy fand. Ich hatte immer Angst vor Vampiren, fühlte mich aber dennoch von ihnen angezogen. Ich bin als Sprecherin lieber Vampir, als dass ich sie jage. Die Dialoge sind lustiger und cooler, wenn man selber Vampir ist.

Gruseln Sie sich auch selber gern?

Ich habe 2002 bei einem „Sinclair“-Hörspiel („Der Anfang“, die Red.) mitgesprochen – das ich beim Anhören ausmachen musste, weil es so gruselig war. Allein diese Soundeffekte … Ich kann mir auch Horrorfilme nicht mehr ansehen. Ich habe mal in einer Videothek gearbeitet und da alles gesehen, auch Splatter-Filme. Dagegen ist „Buffy“ ja noch leichte Kost.

Sie synchronisieren unter anderem Drew Barrymore. Wie sind Sie dazu gekommen?

Oliver Rohrbeck hat mich für „Wayne‘s World 2“ besetzt, da musste ich Drew als Sekretärin vier Takes schwedisch sprechen lassen. Wenn die Synchronarbeiten in München stattfinden, spricht sie Claudia Lössl, in Berlin bin ich es. Mittlerweile kann ich sie blind sprechen.

Haben Sie sie mal getroffen?

Einmal ganz kurz, zur Premiere von „Drei Engel für Charlie“ auf dem roten Teppich. Leider hat Elton, der nervige Praktikant von Stefan Raab, dauernd dazwischengefunkt. Die Begegnung mit ihr hatte ich mir anders vorgestellt. Ich würde gerne mal mit ihr essen gehen und glaube, dass wir uns auch gut verstehen würden. Ich denke wie sie.

Wie meinen Sie das?

Wir atmen auf die gleiche Weise. Ich muss bei ihr überhaupt nicht nachdenken. Bei Sarah Michelle Gellar (sie spielte „Buffy“ in der TV-Serie, die Red.) ist die Synchronisation manchmal anstregend, da sie sehr begrenzt in ihren Möglichkeiten ist. Drew Barrymore versucht nicht, irgendetwas zu sein – sie ist immer mit vollem Herzen dabei, so dass ich immer weiß, was ich sprechen muss.

Sie sind schon seit über zwei Jahrzehnten im Synchron- und Hörspielgeschäft. Hat es sich verändert?

Ich habe erst während der Schauspielausbildung, als ich schon Theater spielte, mit dem Synchron angefangen, also relativ spät mit Anfang 20. Meine Mutter Almut Eggert, eine tolle Schauspielerin und Sprecherin, war davon gar nicht begeistert. Ich konnte aber glücklicherweise mit so guten Leuten wie Heinz Freitag oder Thomas Danneberg arbeiten – und habe noch im Ensemble gelernt. Was mich in den letzten Jahren im Synchron- und im Hörspielbereich stört, ist das ewige „X-en“, bei dem man allzuhäufig alleine im Atelier aufnimmt und die Dialogkollegen nur von der Technik eingespielt werden.

Belastet es Sie, dass Sie vor allem als Synchron- und Hörspielsprecherin wahrgenommen werden?

Nein, denn ich habe ja bereits Publikums- und Kritikerpreise erhalten, obwohl über die Synchronarbeit in der Öffentlichkeit und auch von Kollegen häufig noch die Nase gerümpft wird. Das Hörspiel hat einen höheren Stellenwert. Ich erinnere mich an Kollegen, die sich selbst synchronisieren mussten und sich uns gegenüber unglaublich arrogant auftraten. Das ist schade, doch es stört mich nicht mehr. Ich würde nie solche Rollen wie Drew Barrymore spielen. Ich würde immer das dicke Mauerblümchen, immer Schwester Elke oder die beleidigte Freundin mit der Teewurst in der Hand bleiben – und nie Vampire jagen. Genau deswegen sind Synchronisation und Hörspiel genau mein Ding. Meine Stimme ist so jung, dass ich wahnsinnig lange zu tun haben werde, wenn meiner Stimme nichts passiert. Ich möchte gar nichts anderes machen.

Seit 2003 führen Sie auch Synchronregie. Wollen Sie als zweifache Mutter nicht mal kürzer treten?

Nein, die Arbeit macht so viel Spaß, auch wenn mein Popo langsam den Durchmesser des Sessels hat, auf dem ich beim Regieführen sitze. Dagegen ist das Sprechen reine Erholung, weil ich keine Verantwortung für die gesamte Produktion habe. Oliver Rohrbeck hat mich übrigens zur Synchronregie gebracht …

Apropos Oliver Rohrbeck: Haben Sie früher „Die drei ???“ gehört?

Natürlich, aber ich war immer total verknallt in Andreas Fröhlich! Ich weiß noch genau, als ich später meinen ersten Synchrontermin mit ihm hatte. Ich konnte praktisch nicht sprechen. Mein Mund war total trocken … Ich konnte früher ohne Hörspiele überhaupt nicht einschlafen. Als ich meinen Mann, den Schauspieler Simon Schwarz, mit 24 Jahren kennenlernte, fragte ich ihn, ob wir nicht zum Einschlafen „TKKG“ hören könnten. Er erwiderte perplex: „Hast du einen Knall?“ Heute kann ich auch ohne einschlafen, doch ich lausche heimlich bei meinen Kindern, was da so läuft!

Nana Spier (geboren 1971 in Berlin) ist die Tochter der Schauspielerin Almut Eggert. Sie absolvierte ihre Ausbildung an der Schauspielschule von Maria Körber. 1992 bekam sie ihr erstes Engagement am Schillertheater in Berlin, diverse TV-Auftritte folgten (u.a. „Der Landarzt“, „Dr. Sommerfeld“). Bekannt wurde sie vor allem als deutsche Synchronstimme von Sarah Michelle Gellar und Drew Barrymore. 2010 erhielt sie den „Ohrkanus“ für ihre Lesung in „Darkside Park“.

Weitere Hörbücher mit Nana Spier

Themenwelten

Senioren, Greise, Silver Surfer

Senioren, Greise, Silver Surfer

Alte Menschen in der Literatur

Vom Eise befreit

Vom Eise befreit

Frühlingsliteratur

Über das Denken

Philosophie für Kinder

Von Geburt an Philosophen

Wer sind die anderen?

Afrika

Der so genannte dunkle Kontinent

Familiengeschichten

Vater, Mutter, Kind, Krieg

Familiengeschichten

Wirtschaftskrisenwerke

Wirtschaftskrisenwerke

Über Gier und Risiko