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Interview: Christian Bärmann (bär)

Gerichtsmediziner Prof. Dr. Michael Tsokos

Der Post-mortem-Spezialist

Der Tod gehört zu seinem Alltag. Pro Jahr obduziert Prof. Dr. Michael Tsokos 2.100 Leichen, er wird zu Tatorten gerufen, half bei der Identifizierung deutscher Tsunami-Opfer 2005 und war weltweit an gerichtsmedizinischen Projekten beteiligt. Nebenbei berät der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Charité Autoren – und feilt an seinem ersten eigenen Thriller.

Herr Tsokos, in Thrillern tauchen Gerichtsmediziner, Rechtmediziner, Pathologen, Forensiker, forensische Pathologen oder forensische Anthropologen auf – können Sie Licht in den Begriffsdschungel bringen?

Gerichtsmediziner ist die alte Bezeichnung, die bei uns bis in die 50er, 60er Jahre üblich war. Dann wurde der Begriff Rechtsmediziner eingeführt, um die Unabhängigkeit der Sachverständigen von Gerichten auch namentlich festzumachen. Forensiker sind gerichtliche Sachverständige oder Sachverständige für Gerichte – und können Kriminaltechniker, Schrift- oder Sprachsachverständige und müssen nicht zwangsläufig Gerichtsmediziner sein. Wenn jemand schreibt, dass der Leichnam von einem Pathologen untersucht wurde, dann kann das in Amerika oder England der Fall sein, aber nicht in Deutschland – bei uns muss man die Qualifikation als Rechtsmediziner haben. Forensische Pathologen stehen auch für Rechtsmediziner, wobei dieser Begriff aber eher von Schriftstellern als von Fachleuten benutzt wird. Damit soll wohl abgegrenzt werden, dass dieser Rechtsmediziner nicht auf DNA- oder toxikologische Untersuchungen spezialisiert ist. Anthropologen sind Experten, die menschliche Überreste untersuchen, allerdings wird in Deutschland die Arbeit der forensischen Anthropologen von Rechtsmedizinern mitgemacht.

Der Autor Jeffery Deaver lässt seinen Helden Lincoln Rhyme in dessen neuesten Fall Gott für die DNA in der Forensik danken – sehen Sie das auch so?

Absolut. Die DNA hat die Rechtmedizin sowie die allgemeine kriminalistische Untersuchung revolutioniert.

Wobei Deavers Kollegin Patricia Cornwell sagt, dass es eine falsche und sehr gefährliche Annahme sei, die DNA als Allheilmittel zu sehen …

Auch das ist richtig. Nehmen Sie das „Phantom von Heilbronn“ von 2007. Damals wurde eine Frau gesucht, die angeblich in den neuen Bundesländern an 25 Tötungsdelikten beteiligt war – bis sich herausstellte, dass die Wattestäbchen, mit denen die DNA-Spuren an den Tatorten aufgenommen wurden, verunreinigt waren – was Rechtsmediziner schon von Anfang an gesagt hatten. Man muss die eigenen Methoden immer kritisch hinterfragen. DNA ist tatsächlich kein Allheilmittel, man muss stets überprüfen, ob sie mit anderen Ermittlungsergebnissen kompatibel ist.

Patricia Cornwell beschreibt in den Romanen mit der Gerichtsmedizinerin Kay Scarpetta immer den jeweils neuesten forensischen Stand – zuletzt virtuelle Autopsien oder den Einsatz von Nanotechnologie. Nutzen Sie so etwas auch schon?

Ja, beides ist schon im Einsatz. Wir werden noch in diesem Quartal hier in Berlin einen Computertomografen haben, der für virtuelle Autopsien zur Verfügung steht. Wenn Cornwell die Nanotechnologie auf den toxikologischen Bereich bezieht, so ist auch das hier gang und gäbe.

Was macht man bei einer virtuellen Autopsie?

Dabei wird eine computertomografische Untersuchung eines Toten durchgeführt, um ohne die Verletzung von Gewebe oder Knochen zunächst ein dreidimensionales Bild des Leichnams zu bekommen, bei dem man auch verschiedene Schichten untersuchen kann. Auf diese Weise kann die Lage von Projektilsplittern oder Bruchlinien festgestellt werden. Eine konventionelle Obduktion ersetzt das aber nicht.

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