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Helmut Krauss dreht am „Rad der Zeit“

Was gefällt Ihnen an „Das Rad der Zeit“?

Mir gefällt dieses weite Ausholen. Geschichten erzählen ist eine Urform unseres Berufs als Schauspieler. Je größer die sind, desto mehr Spaß macht das auch. Die Geschichte selber, muss ich ehrlich sagen, hab ich noch nicht ganz durchdrungen. (lacht) Aber die Leute sind mir inzwischen vertraut. Ich kenne deren Vergangenheit, wie sie sich verhalten, was sie mögen und was sie nicht mögen.

Welche Figur liegt Ihnen besonders am Herzen?

Nyaneve, die Seherin. Die ist immer so‘n bisschen ruppig und lässt sich nicht so schnell vereinnahmen.

Wie verläuft ein typischer Arbeitstag mit „Das Rad der Zeit“?

Der typische Arbeitstag beginnt schon am Tag davor. Da gucke ich ins Manuskript, sehe mir in etwa die Menge an, die ich demnächst lesen möchte, und streiche mir schon mal die Namen an, damit ich nicht zu sehr überrascht bin, wenn plötzlich etwas Fremdes kommt. Dann bespreche ich das mit meinem Zuhörer. Der ist eigentlich Tonmeister, aber ich nenne ihn liebevoll meinen Zuhörer, weil er mehr tut, als Regler auf- und zuzumachen. Wir teilen den Text in Abschnitte ein, und anhand der Kapitel tasten wir uns vorwärts. Um zehn Uhr geht‘s ins Studio. Ich verbringe dort ungefähr sechs Stunden an einem Tag, mit Pausen. Wenn ich Glück habe, habe ich dann drei bis vier Stunden aufgenommen.

Und wie fühlen Sie sich hinterher?

Kaputt. Also, manchmal ist man dann auch am Ende der Begeisterung. Irgendwann setzt der Kopf aus, das Auge wird müde, das Lippenballett wird etwas träger. Ist schon nicht unanstrengend. Aber ich mache es ja gerne.

Was ist das Besondere am Lesen?

Ich habe in meinem künstlerischen Leben alles gemacht, was es in diesem Beruf zu machen gibt. Alles, was bebildert ist, Fernsehen, Kino, auch Theater, hat irgendwo eine Grenze. Das ist immer nur eine Interpretation. Wenn ich lese oder zuhöre, hat meine Fantasie überhaupt keine Grenzen. Die Bilder, die ich mir selbst mache, sind unbegrenzt.

Wie sind Sie Sprecher geworden?

Als ich mit Anfang 20 nach Berlin kam, hatte da nicht unbedingt jeder auf einen jungen Schauspieler aus Bayern gewartet, also habe ich erst einmal beim Radio angefangen. Die großen Rundfunksender haben mich auch gern genommen. Meine Stimme hat irgendetwas Ungewöhnliches, was es nicht allenthalben gibt, glaube ich. Wenn ich abends mal ein Taxi rufe, kommt es vor, dass die Dame an der anderen Seite des Telefons kurz schluckt und sagt: „Bitte sagen Sie das noch mal“, weil es ihr so gut gefällt. Kinder sind auch gerne bei tiefen Stimmen, weil das so schön brummt im Bauch.

Was macht einen guten Sprecher aus?

Ein guter Sprecher muss dramatische und psychologische Entwicklungen erkennen können. Das kann man als Schauspieler natürlich am besten. Er muss eine Stimme haben, die man gut und gerne über längere Zeit anhören kann und die in der Lage ist, verschiedene Gefühlslagen auszudrücken. Wobei ich bei Hörbüchern kein Freund von zu viel Gespieltem bin. Ich mag zum Beispiel keine Hörbuchsprecher, die Frauen mit Fistelstimme lesen. Das macht man anders, das macht man über Rhythmusverschiebungen. Was ich nicht mag, ist dieses ganz starke Ausspielen von Figuren. Dabei kommt man auch in Teufels Küche. Am Schluss hat man hundert Figuren, so viele Farben hat man gar nicht. Wenn ich ein Hörbuch einlese, stelle ich mir vor, ich sitze im Sessel und lese ein Buch. Und dabei hample ich ja auch nicht herum und spiele das alles. (lacht)

Ihre Stimme ist in über 230 Filmen und mehr als 40 TV-Serien zu hören. Welchen Schauspieler synchronisieren Sie am liebsten?

Es war schon sehr ergreifend, Marlon Brando sprechen zu dürfen. Am spannendsten und schwersten fand ich John Goodman in „The Big Lebowski“. Weil der in einem Satz 25 verschiedene Gefühle unterbringen kann. Der lacht, weint, flüstert, schreit, alles in einem Satz! Da bin ich oft wahnsinnig geworden, hab gedacht: Wie macht der das? Dann habe ich mich an eine alte Schauspielertugend erinnert und ihm nicht mehr auf den Mund geschaut, sondern auf den Bauch, damit ich sehe, wie er atmet. Goodman ist so vielseitig. Deshalb hat der auch drei verschiedene Stimmen in Deutsch. Die geraderen Filme macht Klaus Sonnenschein, ich die etwas kaputteren.

Sie werden im Sommer 2011 siebzig Jahre alt. Was würden Sie mit dem Rest Ihres Lebens gern machen?

Ja, ich bin schon ein alter Knochen. Das glaube ich manchmal selber nicht. Ich möchte dringend noch eine Oper inszenieren. Ich bin ein großer Opernfan, vor allem Mozart. Sänger machen da weiter, wo wir Schauspieler aufhören. Und dann sind wir auch gleich im – künstlerischen – Himmel.

Helmut Krauss

Helmut Krauss, geboren 1941 in Augsburg, ist ausgebildeter Theater- und Fernsehschauspieler, Kabarettist und Synchronsprecher. Mit 16 stand er zum ersten Mal auf der Bühne, im Alter von 20 Jahren zog er nach Berlin, wo er zunächst als Radiosprecher arbeitete. Als Kabarettist trat er sowohl als Partner von Hannelore Kaub im Kabarett „Das Bügelbrett“ als auch in Dieter Hildebrandts „Scheibenwischer“ auf. Er spielte unter anderem am Grips-Theater und am Hansa-Theater in Berlin sowie am Staatstheater in Hannover. Seine Stimme lieh er u.a. Samuel L. Jackson („Pulp Fiction“), Charles S. Dutton („Die Jury“) und Morgan Freeman („Glory“). In seiner bekanntesten Rolle ist der studierte Pädagoge seit nunmehr dreißig Jahren Hermann Paschulke, der Nachbar von Peter Lustig und später Fritz Fuchs in der ZDF-Kinderserie „Löwenzahn“.

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