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Interview: Marc Hairapetian (MaHa)

Meryl Streep

”Hörspiele haben mich veranlasst Schauspielerin zu werden”

Ihre 14 Oscar-Nominierungen sind einsamer Rekord: Schon heute kann Meryl Streep auf eine glanzvolle Schauspiel-Karriere zurückblicken. Im Berliner Hotel Adlon sprach die zweifache Oscar-Gewinnerin mit hörBücher über die Musical-Verfi lmung „Mamma Mia!“, ihre Freude an Hörbüchern sowie das „Rezept“ für ihren Erfolg.

Ihre Rolle in der Verfilmung des Abba-Musicals „Mamma Mia!“ hat Ihnen sichtbar Spaß gemacht. Welchen Bezug haben Sie zu den Songs der schwedischen Band?

Ich sah und hörte Abba 1974 irgendwo in Europa bei der Übertragung des Eurovision Song Contest. Erst musste ich mir die Augen reiben, war dann aber von ihren schrillen Fantasiekostümen fasziniert. Zu ihrer Partymusik habe ich wenig später nächtelang durchgetanzt. Vor allem „Dancing Queen“ hatte es mir angetan (stimmt die Auftaktmelodie an): „Huuuh hu hu hu hu hu hu hu hu hu …“ Das ist nach wie vor mein Lieblingssong von Abba. In den 1970er und frühen 1980er Jahren hat Abba uns alle noch relativ jungen Menschen begeistert – und das Versöhnliche daran war, dass unsere Eltern und Großeltern nicht von dieser Art Liedern genervt waren, im Gegenteil, sie summten mit. Das war bei den „Sex Pistols“ natürlich nicht der Fall. Abba war vielleicht die erste unspießige Band für die ganze Familie. Mainstream auf hohem Niveau. Wie auch „Mamma Mia!“. Abba ist zeitlos. Die Jugend von heute tanzt in den Clubs wieder zu den Abba-Songs – und ich bin nun bald die Großmutter, die mitwippt … (lacht)

Wie sind Sie zu der Rolle gekommen?

Mein Agent zeigte mir im letzten Jahr einen Stapel so genannter „ernsthafter“ Drehbücher. Als er bereits zur Tür herausging, drehte er sich um und meinte noch etwas verlegen: „Ach, ja, da ist noch etwas Unwichtiges, so eine Abba-Musical-Adaption …“ Ich schrie: „Sofort zusagen!“

Wirklich?

Ja, ich schwöre, es war so. Drei Tage vor dem 11. September 2001 bin ich mit meiner Familie nach Manhattan gezogen. Ich setzte meine Tochter morgens am World Trade Center in den Schulbus. Knapp eine Stunde später stürzten die beiden Türme ein. New York war plötzlich ein großer Friedhof. Doch Trauer und Glück liegen oft nah beieinander. Kurz darauf war nämlich ihr zehnter Geburtstag – und sie wünschte sich das Musical „Mamma Mia!“, das am Broadway lief. Es war wie eine Wiedergeburt! Wir konnten wieder lächeln – und unsere Herzen tanzten. Deswegen habe ich sofort zugesagt, als das Angebot kam.

Glauben Sie an Wiedergeburt auch im spirituellen Sinn?

Ich meinte das nur symbolhaft. Ich bin nicht sehr spirituell und ich glaube auch an keinen Gott. Ich bin froh, dass ich lebe. Ich denke, dass danach nichts kommt. Wenn ja, wäre es eine freudige Überraschung.

Also leben Sie nach dem Motto „carpe diem“?

Ganz richtig: Nutze den Tag! „Der Club der toten Dichter“ von Peter Weir ist übrigens einer meiner Lieblingsfi lme: Robin Williams versucht, als unkonventioneller Lehrer seinen Internatszöglingen genau diesen lateinischen Spruch ans Herz zu legen. Ich habe so viele Freunde an den Tod verloren! Es wäre eine Frechheit den Verstorbenen gegenüber, sich über das Leben zu beklagen. Ich bin für jeden Tag dankbar.

Was ist denn Ihr Lieblingsfilm, in dem Sie selbst mitspielen?

Ganz klar: „The Deer Hunter“ (deutscher Titel: „Die durch die Hölle gehen“, d. Red.) unter der wirklich umsichtigen Regie Michael Ciminos.

Ein echtes Meisterwerk, in dem Sie allerdings keine Hauptrolle spielen …

Darauf kommt es nicht an. Natürlich sind in „The Deer Hunter“ die Rollen der Männer größer als mein Part der Linda. Robert De Niro war nie besser. Männlich und zurückhaltend, keine Spur von Over-acting. Auch John Savage und Christopher Walken spielten unglaublich überzeugend. Ein Film über russische Einwanderer, die vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten in den Vietnam-Krieg ziehen und körperlich wie auch seelisch zu ihren Frauen zurückkehren, wenn sie überhaupt zurückkehren. Es ist Michael Ciminos Verdienst, dass in einem solchen harten Männer-Film Frauen differenziert angelegte Rollen verkörpern durften. Ein Kriegsfi lm, der mit einer Hochzeit anfängt und mit dem desillusionierten Singen vom „God Bless America!“ endet. Die Russen zogen ja 1979 aus Protest – der Film sei eine Beleidigung für das Volk von Vietnam – gegen „The Deer Hunter“ ihre Beiträge bei der Berlinale zurück. Heute gilt er als einer der wichtigsten amerikanischen Filme überhaupt – und als einer der differenziertesten Beiträge über den Vietnam-Krieg. Außerdem spielte ich in dem Film zusammen mit meinem ersten Ehemann John Cazale, der wenig später im wirklichen Leben in meinen Armen starb. Auch deshalb hat „The Deer Hunter“ einen so hohen Stellenwert für mich. Der deutsche Titel heißt „Die durch die Hölle gehen“? Sehen Sie, erst war ich mit John im Paradies, wir dachten in einem wirklich wichtigen Film mitzuwirken, und dann gingen wir kurze Zeit darauf tatsächlich durch die Hölle. Nach Johns Tod betäubte ich mich mit Arbeit. Erst als ich dann meinen jetzigen Ehemann kennen lernte, konnte ich das Leben wieder wirklich genießen. Aber eine gewisse Trauer bleibt immer in meinem Herzen.

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