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Interview: Christian Bärmann (bär) | Fotos: Uwe Tölle

Interview mit Volker Lechtenbrink

„Nach drei Stunden im Studio war ich immer völlig erledigt“

Der Wind pfeift eisig, als wir Volker Lechtenbrink Ende März zum Fototermin an den Rhein bitten. Geduldig lässt sich der Schauspieler vor der Deutzer-Brücke in Köln ablichten. Ein nahe liegendes Motiv: Schließlich wird Lechtenbrink am Abend den Deutschen Hörbuchpreis entgegennehmen - für seine Aufnahme von "Die Brücke".  Knapp 50 Jahre nachdem er mit dem gleichnamigen Film bekannt wurde.

Sie waren 14 Jahre alt, als Sie "Die Brücke" gedreht haben. Konnten Sie den schweren Stoff damals überhaupt verarbeiten?

Da der Krieg noch nicht so lange her war, war das Thema noch ausgesprochen präsent. Es wurde ständig behandelt, in der Schule und im Familienkreis. Mein Vater war ein sehr pazifistisch eingestellter Mann. Er hatte auch keine braune Vergangenheit, von daher war ich sehr gut vorbereitet. Und während der Dreharbeiten hat sich Regisseur Bernhard Wicki immer intensiv mit demjenigen beschäftigt, der am nächsten Tag den schwersten Dreh hatte, etwa vor den Todesszenen. Die waren schon heftig für uns.

Aber auch für das Publikum. Der Film zeigt sehr eindringlich die Brutalität des Krieges. Kann nur so die gewünschte Wirkung erzielt werden?

Ich denke ja. Ein Antikriegsfilm, der nicht knallhart die Grausamkeit des Krieges zeigt, ist nicht abschreckend. Selbst die Jugendlichen heute, die ja wesentlich mehr Gewalt im Kino gewohnt sind als wir damals, sind noch beeindruckt. Das erlebe ich oft bei Vorführungen an Schulen. Die Schüler gehen mit so einer Grundlässigkeit in den Film, die Klassenclowns vorne weg - kommen aber alle grün wieder heraus.

Sogar Steven Spielberg scheint vor seinem Antikriegs-Film "Der Soldat James Ryan" den Film gesehen zu haben. Die Anfangssequenz ist ähnlich eindringlich...

Das könnte man meinen. Viele amerikanische Filmemacher hat der Film schwer beeindruckt. Ich wollte mal ein Interview mit Anthony Quinn für meine Personality-Show haben. Aber ich kam nie an ihn ran. Als ich eines Tages mit einem seiner Agenten telefonierte, höre ich im Hintergrund Quinn. Ich bat den Agenten, ihm auszurichten, dass ich in "Die Brücke" mitgespielt habe und wir beide schon mit Bernhard Wicki gedreht hatten. Darauf kam Quinn sofort ans Telefon gestürmt und fragte begeistert "You are one of the boys from the wonderful ‚The Bridge'?" Er kam in meine Show, nur weil ich einer von den Brücke-Jungs war.

Vermutlich haben Sie ähnlich reagiert, als Ihnen der "Hörkultur"-Verlag vorschlug, "Die Brücke" als Hörbuch aufzunehmen?

Natürlich. Ich habe sofort zugesagt, weil es eine der reizvollsten Aufgaben war, die ich mir vorstellen konnte. Allerdings habe ich den Roman noch einmal in aller Ruhe gelesen - und war wie geplättet. Der ist so spannend aufgebaut, ich war absolut erschüttert. Mir war schleierhaft, warum ich nicht selbst auf die Idee gekommen war, dieses Buch zu vertonen.

Beim Hören hat man tatsächlich den Eindruck, als wäre das Einlesen etwas ganz Besonderes für Sie gewesen?

Keine Frage. Die Aufnahme war mit soviel Erinnerungen verbunden, da die Geschichte ja schon seit knapp 50 Jahren in mir lebte. Ich habe die ganze Zeit die Stimmen meiner Mitspieler aus dem Film gehört und versucht, ihnen gerecht zu werden. Ich habe aber auch versucht, den Roman nicht als Action-Film, sondern mit der Melancholie zu lesen, die über der ganzen Geschichte liegt.

Also war Film ständig im Hinterkopf?

Ja, ich wusste immer genau, wie die Szenen filmisch gelost waren. Allerdings ist der Roman anders aufgebaut als der Film. Er erzählt die Geschichte aus der Retrospektive. Immer wenn einer der Jungen stirbt oder in den Fokus rückt, wird seine Geschichte erzählt. Das macht den Roman ja so außergewöhnlich gut. Aber das war filmisch nicht umsetzbar, deswegen war es richtig, das Drehbuch umzuschreiben. Die Herausforderung beim Lesen war, dass ich immer von der Rückblende in die laufende Handlung einsteigen musste.

Haben Sie die Aufnahmen mitgenommen?

Das kann man wohl sagen. Zum Glück hatte ich den großartigen Regisseur Walter Adler an der Seite, der mir sehr geholfen hat. Er hat genau darauf geachtet, dass wir pro Tag nicht mehr aufnehmen, als ohne große Anstrengung zu schaffen war. Wir haben uns viel Zeit gelassen und waren eine Woche im Studio. Denn das Lesen "Der Brücke" strapazierte ununterbrochen meine Nerven, so dass wir pro Tag nur rund drei bis vier Stunden aufgenommen haben. Danach war ich immer völlig erledigt.

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