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Interview: Christian Blees (cb) | Fotos: Uwe Tölle

Arne Dahl

Wenn der Ärger Funken schlägt

Arne Dahl ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten Kriminalschriftsteller Schwedens. Ursprünglich arbeitete er als Redakteur einer Literaturzeitschrift und verfasste unter seinem wahren Namen Jan Arnald zunächst einen Roman sowie einen Band mit Kurzgeschichten. 1998 gelang ihm mit seinem ersten Roman um das „A-Team“, eine Sondereinheit der Stockholmer Kripo, auf Anhieb der Durchbruch als Spannungsautor.

Wir sollen Ihnen schöne Grüße von Maj Sjöwall bestellen. Gibt es noch andere schwedische Krimiautoren, zu denen Sie Kontakt haben – oder gar einen festen Kreis von Kollegen, der sich mehr oder weniger regelmäßig trifft?

Der einzige, den ich öfters sehe, ist Hakan Nesser. Mit Maj Sjöwall unterhalte ich eher flüchtigen Kontakt. Wir liegen altersmäßig doch arg weit auseinander. Näher kennen gelernt habe ich sie eigentlich nur, weil meine Frau, die als Fotografin arbeitet, Maj einmal porträtiert hat. Im Übrigen gibt es meines Wissens nach lediglich einen Zirkel jüngerer weiblicher Autoren, der des Öfteren zusammenkommt.

Sie könnten sich dort ja als Frau verkleidet einschleichen – so ähnlich, wie Sie es zu Beginn Ihrer Karriere als Arne Dahl bereits einmal getan haben. Damals traten Sie maskiert auf einer Buchmesse in Göteborg auf, um Ihr Pseudonym zu wahren ...

... was letztlich in die Hose ging ...

  • Arne Dahl (l.) im Gespräch mit hörBücher-Autor Christian Blees

… weil Sie trotz der Maskerade anschließend durch eine Tageszeitung enttarnt wurden. Wie haben die Kollegen seinerzeit herausgefunden, dass es sich bei dem Kriminalschriftsteller Arne Dahl in Wirklichkeit um den Literaturkritiker und Romanautor Jan Arnald handelte?

Sie verglichen ein Foto des maskierten Arne Dahl mit einer früheren Aufnahme, die zuvor von Jan Arnald gemacht worden war – und zogen daraus den Schluss, dass es sich bei beiden um ein und dieselbe Person handeln müsse. Da ich meinem Verleger stets gesagt hatte, ich würde mein Pseudonym nie verleugnen, falls ich einmal direkt darauf angesprochen werden würde, blieb mir letztlich nichts anderes übrig, als die Vermutung der Journalisten zu bestätigen.

Gleich in Ihrem ersten Krimi wird ein Literaturkritiker umgebracht – also ausgerechnet ein Vertreter jener Zunft, deren Mitglied Jan Arnald im wahren Leben bis dahin gewesen war …

(lacht) Rückblickend betrachtet, war das taktisch sicherlich nicht unbedingt die gescheiteste Idee, um als Neuling bei den Rezensenten zu landen.

Seit Ihrem Identitätswechsel zu Arne Dahl müssen Sie nun selbst damit leben, dass Ihre Bücher kritisiert werden. Wie gut verkraften Sie das?

Zum Glück kommen meine Krimis auch bei den Kritikern meistens gut an. (lacht) Insofern kann ich damit prima leben. Zu der Zeit, als ich unter meinem realen Namen einen Roman sowie Kurzgeschichten veröffentlichte, war das noch anders. Die sind seinerzeit bei den Kritikern nicht ganz so gut weggekommen – und haben mich dann ab und zu schon einmal in eine kleine Depression gestürzt. (lacht) Aber diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei.

Inzwischen zählen Sie zu den erfolgreichsten skandinavischen Krimischreibern überhaupt. Können Sie erklären, warum im Norden Europas überhaupt derart viele Bücher erscheinen, in denen sich alles um Mord und Totschlag dreht? Angesichts mehrerer dutzend Krimis, die alleine in Schweden pro Jahr verfasst werden, könnte man glauben, dass die Kriminalitätsrate im wahren Leben entsprechend hoch ausfällt. Dabei trifft dies gar nicht zu.

So kurios es klingen mag: Ich glaube, dass genau das eine der Ursachen dafür ist, dass dieses Genre bei schwedischen Autoren so starken Anklang findet. Wenn man im wahren Leben quasi tagtäglich mit Kriminalität konfrontiert wird, stumpft man eher ab und verliert das Interesse, darüber auch noch zu schreiben. Weil bei uns aber gar nicht so viele schwere Verbrechen passieren, üben Mord und Totschlag eine entsprechende Faszination aus – wie fast alles Fremde.

Krimis aus ganz Skandinavien, vor allem aber aus Schweden, erleben seit Jahren bei den deutschen Lesern einen unglaublichen Boom. Gleichzeitig bemängelte Ihr Kollege Hakan Nesser vor einiger Zeit in einem Zeitschriftenartikel, dass von den rund 70 schwedischen Neuerscheinungen pro Jahr etwa 60 kaum zu ertragen seien …

… womit er sicherlich Recht hat. Nur weil dieses Genre inzwischen so populär ist, glauben viele Autoren, sie müssten einen Krimi schreiben – und der würde sich dann automatisch zum Bestseller entwickeln. Das ist natürlich völliger Unsinn.

Was also macht einen erfolgreichen – und guten – Krimi aus?

Zunächst einmal muss er gut unterhalten. Und die geschilderten Charaktere müssen glaubhaft sein – falls sie sogar in mehreren Bänden auftreten sollen, benötigen sie darüber hinaus eine gewisse Tiefe. Nur so schafft man es als Autor, die Leser auf Dauer bei der Stange zu halten. Auch kann eine möglichst lebendige Sprache, am besten sogar ein individueller, unverwechselbarer Schreibstil, bestimmt nicht schaden.

Wie würden Sie Ihren persönlichen Schreibstil bezeichnen? Was unterscheidet einen Arne-Dahl-Krimi beispielsweise von einem Roman aus der Feder Henning Mankells?

Ich denke, dass meine Bücher deutlich mehr Humor enthalten als die Romane Henning Mankells und der meisten anderen Kollegen. Auch steht bei mir mit dem „A-Team“ gleich ein ganzes Kollektiv im Mittelpunkt und nicht nur ein einzelner Kommissar. Dadurch lässt sich die Handlung abwechslungsreicher gestalten. Und zu guter Letzt wage ich auch zu behaupten, dass mein Schreibstil durchaus literarisch anspruchsvoll daherkommt – und dennoch gleichzeitig auch unterhaltsam.

... was Sie nicht davon abhält, mitunter extreme Grausamkeiten bis ins kleinste Detail zu schildern – so, wie es auch viele Ihrer skandinavischen Kollegen tun. Warum wollen oder können Sie persönlich auf derart brutale Beschreibungen nicht verzichten?

Ich finde, als Leser merkt man es einer entsprechenden Passage im Buch durchaus an, ob es dem jeweiligen Autor darum geht, Gewalt zu verherrlichen, beziehungsweise ob dieser geradezu Spaß daran hat, derartige Szenen zu beschreiben. Ich selbst bin ganz klar jemand, der Gewalt prinzipiell ablehnt. Genau deshalb ist es für mich aber umso wichtiger, Gewalt als etwas Extremes darzustellen – und meinen Lesern klarzumachen, dass ein Mord keine alltägliche Handlung ist. Außerdem schildere ich in meinen Büchern nie mehr Brutalitäten als unbedingt nötig.

Wie gehen Sie eigentlich vor, wenn Sie ein neues Buch planen? Was ist zuerst da: die Idee für ein bestimmtes Verbrechen, um das herum Sie dann die Figuren entwickeln? Oder kommt Ihnen als erstes eine interessante Figur in den Sinn, und anschließend machen Sie sich auf die Suche nach einer geeigneten Tat, die diese begehen könnte?

Meist beginnt es damit, dass ich in der Zeitung irgendetwas lese, das mich ärgert oder traurig macht. Wenn dann in meinem Hirn plötzlich ein Funke zündet, beginne ich, das entsprechende Thema genauer zu recherchieren. Sobald ich ausreichend Fakten zusammengetragen habe, beginne ich, mir einen passenden Plot und die nötigen Figuren zu erarbeiten. Insofern basieren im Grunde genommen alle meine Krimis auf realen Verbrechen.

Arne Dahl

Arne Dahl ist das Pseudonym des Schweden Jan Arnald (geboren 1963). Arnald arbeitete zunächst als Redakteur zweier Literaturzeitschriften, als Literaturforscher und -kritiker, bevor ihm mit seinen Romanen um die Sonderermittler Paul Hjelm und Kerstin Holm auf Anhieb der Durchbruch als Kriminalautor gelang. Unter anderem erhielt er zweimal den Deutschen Krimipreis: 2005 für „Falsche Opfer“ und 2006 für „Tiefer Schmerz“. Der Familienvater (zwei Töchter) wohnt in Stockholm und verbringt seine Freizeit mit Sport, insbesondere Skifahren und Fußball. Seine Krimis und anderen Romane entstehen in einer kleinen Schreibwerkstatt in den Schären vor der schwedischen Hauptstadt.

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