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Portrait: Claire-Lise Buis (clb)

Hemingway und die Frauen

„Salao“ auch in der Liebe

Als einer der größten Machos der Literaturgeschichte schrieb sich Ernest Hemingway ins kollektive Gedächtnis ein. Eine Annäherung an Mensch und Mythos aus der weiblichen Perspektive – anlässlich des 50. Todestages des Jahrhundert-Schriftstellers.

Ernest Hemingway ließ sich bis ins fortgeschrittene Alter mit nacktem, muskulösem Oberkörper ablichten. Fasziniert vom blutigen Stierkampf, bevorzugte der Schriftsteller und Kriegsreporter Freizeitaktivitäten für harte Kerle: Jagen, Boxen, Fischen. Der Amerikaner heiratete vier Mal und die Namensliste der ihm verfallenen Frauen ist lang. Agnes von Kurowsky, Hadley Richardson, Pauline Pfeiffer, Mar- tha Gellhorn, Mary Welsh waren nur einige seiner wichtigsten Gefährtinnen auf dem Weg zum Ruhm. Etliche Liebhaberinnen und eine zur Schau gestellte Männlichkeit: alles in allem keine gute Vorlage für eine feministische Rezeption. 1992 schrieb ein Kritiker der New York Times: „Es ist nicht gerade trendy, das Werk Hemingways zu preisen. Seine Frauen scheinen zu oft Projektionen seiner Bedürfnisse zu sein.“ Fünfzig Jahre nach dem Freitod des Schriftstellers stellt sich jedoch die Frage, ob diese Aussage noch stimmt. Laut dem Hemingway-Experten Boris Vejdovsky, in einem gerade erschienenen Bildband, ist es an der Zeit, die Person „Ernest“ vom Mythos „Hemingway“ zu trennen. Eine neue Ausgabe dessen Pariser Erinnerungen (Paris - Ein Fest fürs Leben) und ein Roman (Madame Heming- way), der ebenfalls diese Lebensphase des Schriftstellers thematisiert sowie ein Bildband, herausgegeben von sei- ner Enkelin Mariel, könnten nun dabei behilflich sein.

Im Privaten ein verträumter Mann

Im schönen Porträt-Buch Ernest Hemingway in Bildern und Dokumenten kommen viele Facetten des Literaturgiganten zur Geltung. Vor allem ältere Aufnahmen aus dem privaten Bestand seiner Familie haben etwas rührend Nostalgisches, das nicht ganz zu seiner Macho-Rolle passt. Der junge Mann schaut verträumt oder etwas unsicher und schon verlieren die Posen des späteren Burschen an Bedeutung. Beim Blättern bekommt der Leser den Eindruck, es sei doch viel komplizierter gewesen im Leben Hemingways. Seine dominante Mutter habe ihn so erdrückt, dass harmonische Verhältnisse zu Frauen später kaum möglich waren. Im Hintergrund das Wissen um seine Familiengeschichte: Sein Vater brachte sich mit 61 Jahren um, Ernest wählte später im gleichen Alter den Freitod. Auch zwei seiner Geschwister und eine Enkelin starben von eigener Hand. „Salao“ schrieb er in Der alte Mann und das Meer, sei die „schlimmste Form des Pechhabens.“ Vielleicht saß Hemingway sein Leben lang nie im „Glücksboot“? Die Bilder und Dokumente in dem Buch lassen ein Gefühl der Scham zurück, ihn vorschnell für seine zahlreichen Eroberungen verurteilt zu haben, liest man über seine wiederholten Enttäuschungen in Sachen Liebe.

In ihrem Roman Madame Hemingway porträtiert Paula McCain den Schriftsteller ebenso als sensiblen und von inneren Kämpfen zerrissenen Mann. Sie rekonstruiert das Leben des Schriftstellers und seiner ersten Ehefrau Hadley, als beide sich zwischen 1921 und 1927 in der französischen Hauptstadt aufhielten. Nicht nur die Erzählperspektive – im Roman spricht Hadley in der ersten Person – lässt die weibliche Figur ins Zentrum von Hemingways Leben rücken, sondern auch die ganze übrige Handlung. Denn es ist eine wahre, echte und die Zukunft Hemingways wegweisende Liebegeschichte, die McCain mit Mitgefühl nachzeichnet. So wird in diesem Gedenksommer das Klischee des gefühlslosen Kerls gleich mehrmals widerlegt. In der ersten Ausgabe von Paris – Ein Fest fürs Leben, das Hemingway auf Kuba schrieb und das posthum erschien, war Hadley nur eine Randfigur. Ganze Passagen über ihre Trennung verschwanden im Interpretationseifer der Herausgeber. In der neuen Edition – diesmal vom Sohn Patrick und vom Enkel Sean initiiert – wurden sie wieder eingefügt. Darin geht es um Reue und Schuld. „Wirklich zwei Frauen gleichzeitig zu lieben, sie aufrichtig zu lieben, ist das Zerstörerischste und Furchtbarste, was einem Mann passieren kann“, schrieb „Hem“ in ungewöhnlich sanfter Manier. Ist also das Bild Hemingways als Macho nach 50 Jahren nur ein Spiegel der damals zeitgenössischen Rezeption? Geht es um eine verklärende Rehabilitation oder um eine Richtigstellung seiner Person?

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