Hemingway und die Frauen
Hemingways Angst vor den Müttern
Hemingways Schriften zeugen auch fünfzig Jahre nach seinem Tod nicht gerade von Empathie für das weibliche Geschlecht. Mütter waren ihm besonders abstoßend oder gefährlich. In einer schrecklichen Szene der Kurzge- schichte Indianerlager begeht der Vater eines Neugeborenen Selbstmord, just in dem Moment, als seine Frau per Kaiserschnitt gebärt. In In einem andern Land stirbt die Hauptfigur Catherine bei der Geburt. In dem Bildband wird auf diese Episoden in Hemingways Werken hingewiesen und das Kapitel über „Hems“ Beziehungen trägt einen doppeldeutigen Titel: „Das verlorene Paradies der Männer ohne Frauen“. Wer verschollen ist – die Frauen, das Glück oder alle gleichzeitig – bleibt schließlich unklar.
In Paris – Ein Fest fürs Leben fehlen außerdem keine abfälligen Aussagen über vermögende oder einflussreiche Frauen, die wie Gertrude Stein die Pariser Literaturszene der 20er Jahre verkörperten. Trotz aller Reuebekundungen über seine Affäre gewährte Hemingway seinen Dichter-Freunden Ezra Pound oder F. Scott Fitzgerald viel mehr Platz und Bedeutung als den Püppchen, die in den Cafés von Montparnasse ab und zu auftauchen.
Auch bei McLain hinterlässt die Lektüre ein ambivalentes Gefühl. Hadley steht zwar im Zentrum des Geschehens von Madame Hemingway, sie scheint sich jedoch mit der Rolle der bloßen Unterstützerin ihres Mannes zufriedenzugeben. Das eigene Ziel, als Konzertpianistin aufzutreten, muss sie kurzfristig aufgeben, weil die Untreue ihres Mannes sie völlig aus der Bahn wirft. Selbstbewusstsein findet sie nicht als Muse, sondern als ruhiger Pol in einer schon früh angespannten Beziehung und, später, als Mutter. McLain porträtiert zwar keine dumme Landpomeranze, doch eine emanzipierte Frau ist Hadley nicht wirklich. Gerade weil sie konservative Werte vertritt, scheint die Autorin ihrer Figur wohlwollend zur Seite zu stehen. Vielleicht erklärt dies sogar auch, warum Hemingway seine erste Ehe stets mit einer gewissen Nostalgie betrachtete. Von seinen späteren Beziehungen weiß man, dass sie besonders stürmisch waren, wenn die Frauen, die sein Leben teilten, für ihn eine Konkurrenz darstellten.
Noch immer kein Feminist
Auch wenn die stärker auf sein Leben und, anlässlich seines selbstgewählten Todestages, dem zweiten Juli vor fünfzig Jahren, auf seine Person, seine Liebe und Psyche gerichteten Veröffentlichungen einen wohlwollenderen Blick zulassen: Nüchtern betrachtet hat Hemingway seine persönliche Verunsicherung auch in seine Beziehungen getragen und war kein Unterstützer des Feminismus. Was er unterstützte, war die Entfaltung einer reduzier- ten, syntaktisch makellosen Literatur und eines Journa- lismus, der sich der Wahrhaftigkeit verpflichtet fühlt.
Paula McLain: Madame Hemingway. Aufbau, 456 Seiten, 19,99 Euro
Mariel Hemingway (Hrsg.): Ernest Hemingway in Bildern und Dokumenten. Olms, 208 Seiten mit circa 350 Fotos und Illustrationen, 49,95 Euro
Ernest Hemingway: Paris – Ein Fest fürs Leben. Rowohlt, 320 Seiten, 19,95 Euro