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Reportage: Jörn Radtke (jr) | Fotos: Siegfried Sperl

Gert Heidenreich

Der sprechende Schriftsteller

Gert Heidenreich hat viel zu sagen, ob als Autor eigener oder als Sprecher fremder Werke. Sieben Romane hat er verfasst und unzähligen Romanen seine Stimme geliehen. hörBücher traf den Sprecher und Schriftsteller auf ein Wort in seinem Haus am Wörthsee und sprach Tacheles.

Es sind nicht die dünnen Bretter, die Gert Heidenreich gerne bohrt. Er liebt es nicht, wenn man es sich zu einfach macht – weder bei sich noch bei anderen, weder beim Schreiben noch beim Sprechen. „Ich suche nach präzisem Ausdruck. Ich halte nichts von Plauderprosa. Wenn jemand so schreibt, wie wir im Alltag reden, dann interessiert mich das nicht. Ich möchte, dass ein Autor sich um Verdichtung bemüht“, befindet er. Technisch zählt Heidenreich die Verdichtung allerdings zu den drei Todsünden der Hörbuch-Produktion, die da heißen: Kompression, Gates und schlampige oder fehlende Regisseure. „Die Kompression, das ist ja eine Pest! Da wird alles hochgepresst, so dass es sich wie Werbung anhört. Die Höhen gehen weg, die Mitteltöne gehen weg, die Differenzierung geht weg. Ich habe dann einen Bass wie ein Kürbis. Ich habe ja schon eine tiefe Stimme, aber das klingt dann wirklich furchtbar“, ärgert er sich. Nicht weniger vernichtend fällt sein Urteil aus über die Verwendung von Gates, einem weiteren Folterinstrument aus der Tonstudio-Hölle für Hörer, die Atempausen und Stimmschwankungen als stilistische Ausdrucksmittel lieben: „Für mich sind das faule Studios, die mit Gates arbeiten und die mit Atem nicht umgehen können, die Höhen ab- und Atem rausschneiden.“ Vor allem im Wegschneiden des Atems sieht er eine Unsitte: „Bei einem Sachbuch ist mir das wurscht, aber bei der Prosa ist das Atmen ein wichtiges gestalterisches Element.“ Atem holen erzeugt Spannung, Ausatmen kann Erleichterung ausdrücken, Atempausen signalisieren Bedeutung.

 

 

Gert Heidenreich gehört zu jenen Menschen, die lieber hohe Qualität abliefern als einen hastig verdienten Euro mitnehmen. „Ich habe richtig Lust, an literarischen Produktionen zu arbeiten und ich ärgere mich, wenn ich das Hörbuch im Nachhinein höre und denke, das hätte besser sein können“, sagt er von sich. Auch findet er, dass ein Regisseur bei der Arbeit unabdingbar sei und dass man höre, ob ein Regisseur bei der Aufnahme mitgemischt hat oder nicht. Trotz mehr als 30 Jahren Sprechererfahrung hält Heidenreich es für falsch, auf einen Regisseur zu verzichten: „Ich sage mal ganz arrogant: Ich kann nicht mehr richtig schlecht sein – aber ich kann unterschiedlich gut sein. Und dafür brauche ich einen Regisseur.“ Niemand müsse ihm sagen, wie man spricht. Dieses Wissen eigne man über die Jahre an. Aber wichtig sei, dass jemand genau zuhöre und darauf achte, ob die Spannung oder das Tempo nachlasse – und der sich auch traue, das zu sagen. „Wenn da nur einer sitzt, der darauf achtet, ob jedes Wort richtig gesprochen ist, aber der kein ästhetisches Ohr hat, da hast du dann doch keine Lust mehr. Ich brauche jemand mit einem aufmerksamen Ohr und dem Mut zu sagen, das ist nicht schlecht, aber das kannst du besser“, erklärt Heidenreich. Diesen Mut aufzubringen, ist nicht immer einfach, schließlich lässt sich niemand gerne kritisieren. Aber für das optimale Ergebnis ist Kritik immens wichtig.

 

Zitate:

„Bei der Prosa ist das Atmen ein wichtiges gestalterisches Element.“

„Ich kann nicht mehr richtig schlecht sein – aber ich kann unterschiedlich gut sein.“

Gert Heidenreich

Gert Heidenreich wurde 1944 in Eberswalde geboren und lebt heute in der Nähe von München. Er arbeitete als Dramaturg, Regisseur, Kritiker, Journalist – und natürlich als Schriftsteller und Sprecher. Er erhielt 1986 den Adolf-Grimme-Preis. Von 1991 bis 1995 war er Präsident des deutschen PEN-Zentrums (West).

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