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Interview: Christian Bärmann (bär) | Fotos: Uwe Tölle

Ulrich Noethen

„Dagegen ist das Drehen am Filmset geradezu erholsam.“

Das Manuskript zum Hörbuch von „Vom Winde verweht“ umfasste rund 1.500 Seiten. Fünf Wochen lang war Ulrich Noethen im Studio, um den Klassiker auf 34 CDs zu bannen. hörBücher sprach mit dem Schauspieler über ein Projekt der Superlative.

Herr Noethen, was war größer: Die Lust, diesen Klassiker einzulesen oder die Herausforderung, so einen „Schinken“ zu bewältigen?

Die Herausforderung, ein solches Mammutwerk ohne größeren Spannungsabfall zu lesen, war da. Auch das Bewusstsein, dass dies ein großes Projekt für den Verlag ist und der Roman in den nächsten zehn Jahren nicht noch einmal eingelesen wird, hat eine Rolle gespielt. Es ist zwar keine Weltliteratur, aber auf jeden Fall ein großes Stück weltbekannte Literatur, so dass so eine Aufgabe auch der Eitelkeit des Schauspielers schmeichelt (er schmunzelt).

Stimmt es, dass Sie den Film mit Vivien Leigh und Clark Gable nicht kannten und auch nicht zur Vorbereitung angeschaut haben? Hätte das Ihre Aufgabe nicht erleichtert?

Einerseits schon, weil ich die Schauspieler vor mir gesehen und einen optischen Anker gehabt hätte. Andererseits brennen sich Bilder sehr stark ein. Hätte ich den Film vorher gesehen, wäre ich dem Sog der Bilder erlegen und hätte nur reproduziert. Das tut man als Vorleser zwar sowieso, aber so hatte ich die Möglichkeit, mir meine eigene Bildwelt erschaffen.

Welche Meinung hatten Sie zuvor von dem Roman? Und hat sich diese verändert?

Ich dachte, es sei ein Epos mit Wohlfühl-Handlung, bei der auf einen Teil der amerikanischen Geschichte zurückgeblickt wird – mit Kitsch, Liebesgeschichte und austauschbaren Figuren. Dann war ich überrascht, wie gut die Geschichte geschrieben ist und dass viele der Charaktere nicht austauschbar sind. Besonders gefällt mir, dass man anhand dieser Literatur an den Sezessionskrieg herangeführt wird, wenn auch nur aus Südstaatensicht. Aber da darüber hinaus von Krieg, Leiden und Ungerechtigkeit berichtet wird, wird daraus ein starkes Stück Literatur.

Wie sehen Sie Scarlett O’Hara und Rhett Butler?

Scarlett ist eine Persönlichkeit, an der man sich die Zähne ausbeißen kann und der man kritisch gegenüber stehen muss. Diese Mischung aus großer Naivität, Kämpferherz und geradezu brutalem Raubtier-Egoismus – den sie sich mit Rhett Butler teilt – ist nicht einfach zu verdauen. Butler ist ein zynischer Kriegsgewinnler, der auf Kosten anderer seinen Lebensunterhalt verdient, aber keine innere Zufriedenheit findet.

Wie haben Sie sich auf dieses Projekt vorbereitet?

Zunächst habe ich das Buch einmal ganz durchgelesen. Als die Aufnahmen näher kamen, haben wir Aussprachen und offene Fragen geklärt. Ich habe im Manuskript Anmerkungen gemacht, Pausen oder Betonungen markiert und vor allem überlegt, wie ich es lesen will.

War Ihnen das sofort klar?

Relativ schnell. Ich wollte abwarten, was an Personal auf mich zukommt, um nicht in des Teufels Küche zu geraten. Nichts ist furchtbarer, als wenn man den unterschiedlichen Personen unterschiedliche Stimmen gibt und nach einem Drittel des Buches feststellt, dass das Personal zu groß ist. Dann verirrt man sich in den eigenen Stimmfarben.

Aber das Personal ist groß …

Stimmt. Aber ich habe ja nicht für jede Person eine ureigene Stimme genommen. Es sind viel mehr Färbungen, die etwas Vages haben. Mir ging es darum, dem Hörer eine Hilfe zum Einordnen zu geben. Wenn ich jeder Figur einen eigenen Charakter geben würde, würde ich sie dermaßen stark machen, dass der Zuhörer bevormundet und ihm die Möglichkeit genommen würde, sich eine eigene Fantasiewelt zu erschaffen. Dass man bei einigen Figuren mit einem etwas dickeren Pinsel malt, ist aber legitim.

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