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Interview: Elisabeth Dietz (ed) | Fotos: Uwe Tölle

Nina Petri

Man muss Afrika mit mehr Respekt begegnen

Unbefangen und ohne große Vorbereitung hat sich Schauspielerin Nina Petri für die Hörbuchreihe „Afrika erzählt“ der Literatur des schwarzen Kontinents genähert. Im -Interview berichtet die UNICEF-Botschafterin über ihre Erfahrungen.

Frau Petri, kannten Sie Werke der afrikanischen Literatur, bevor Sie die Afrika- Bücher eingelesen haben?

Ehrlich gesagt, kannte ich vorher keine afrikanischen  Autoren. Aber ich habe schon vor zwei Jahren für ein Projekt afrikanische  Märchen eingelesen. Insofern hatte ich zumindest schon Kontakt zu afrikanischer  Literatur.

Welches der Werke, das Sie eingelesen haben, hat Sie am meisten bewegt?

„Ein so langer Brief“ von Mariama Bâ. Da konnte ich sehr persönlich  sein, weil es um ein universelles Frauenthema geht. Es handelt von einer Frau,  die in einer polygamen Ehe lebt und deren Mann sie wegen einer Jüngeren  verlässt. Offi ziell nimmt er sich nur eine zweite Frau, aber in Wirklichkeit  ist es nichts anderes, als es auch hierzulande ist: Eine Frau wird im Stich  gelassen. Das Bezaubernde an dem Buch ist, dass in diesen Alltagsgeschichten  eine große Kraft steckt. Es gibt keinen großen Überbau. Mariama Bâ schreibt ganz  direkt auf ein Thema hin und trotzdem mit einer tiefen Innerlichkeit.

Haben Sie beim Lesen Unterschiede, etwa zu unserer Literatur, festgestellt?

Die Sätze sind irgendwie anders verschachtelt als in der europäischen Literatur. Bei Mariama Bâ  oder auch Nuruddin Farrah gibt es Sinnzusammenhänge, die unseren Lesegewohnheiten überhaupt nicht entsprechen, die man sich erst erarbeiten muss. Bei bestimmten Bildern merkt man einfach deutlich, dass man es mit einer völlig anderen Kultur zu tun hat. Zum Beispiel tauchen oft Tiere als Metaphern für emotionale oder gesellschaftliche Zusammenhänge auf. Man muss sich auf diese Bilderwelt einschießen. Ich lese die Texte laut, dann kann ich besser spüren, was für ein Bild da entsteht. Ich muss nicht unbedingt die genaue Symbolik kennen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was diese Dinge bedeuten.

  • Afrika hautnah: Für die Fotos hatte Nina Petri selbst die Afrika-Abteilung des Hamburger Völkerkundemuseums vorgeschlagen.

Abgesehen von der Verschachtelung – was macht afrikanische Literatur aus?

Sie lebt sehr stark von Metaphern und Naturbildern. Auffällig ist auch die Unbefangenheit im Umgang mit Körperlichkeit, sei es nun ganz direkt ausgeschriebene Sexualität oder einfach nur Anspielungen. Diese Sinnlichkeit ist stark spürbar. Selbst im Umgang mit emanzipatorischen oder politischen Themen spielen immer diese Menschen mit ihren Körpern eine Rolle. Man sieht die Figuren als ganze Menschen, nicht nur als Geist. Da ist nicht einer, der denkt oder einer, der irgendwo Gefühle hat. Die Figuren haben auch eine Form und einen Körper.

Haben Sie sich vor den Aufnahmen in das Thema eingelesen?

Ich bleibe immer ziemlich naiv. Ich habe das Gefühl, ich kann den Figuren besser folgen, wenn ich keine Literaturanalyse gemacht habe. Dann bleibe ich einfach unbefangener und kann besser in die Geschichte eintauchen.

Was hat Ihnen beim Lesen am besten gefallen?

Ich habe am meisten Spaß, wenn es in den Texten emotional wird, wenn ich unterschiedliche Emotionen darstellen kann. In „Ein so langer Brief“ wechseln die Gefühle sehr stark. Die Hauptfi gur ist enttäuscht, wütend und sehr traurig. Mal dringt das eine, mal ein anderes Gefühl in den Vordergrund. Und dann ist sie wieder einfach mit ihren Kindern beschäftigt und damit, alles auf die Reihe zu kriegen. Ich fi nde es spannend, wenn man die verschiedenen Ebenen eines Textes bedenken und das eine neben dem anderen aufsteigen kann. Denn so bildet sich das Leben ja tatsächlich ab, es ist immer alles da.

Hat sich durch diese Arbeit Ihr Blick auf Afrika verändert?

Zunächst einmal zeigen diese Hörbücher, dass es in Afrika wirklich schöne Literatur gibt. Man ist überwältigt von dem, was da literarisch stattfindet. Man sieht in Afrika immer nur den ärmsten Kontinent, man bringt Afrika nicht mit hoher Kultur in Verbindung. Da gibt es halt die armen, kleinen schwarzen Kinder, wenig Essen und alles ist so schwer und furchtbar. Aber es gibt dort auch eine hohe Kultur, die es lohnt, hierher gebracht zu werden. Ich finde, man muss Afrika mit mehr Respekt begegnen. Wenn man den Kontinent durch seine Kultur, durch seine Literatur betrachtet, kann man das auch besser, weil man nicht diesen überlegenen Europäerblick hat. Helfen – ja, aber ohne zu vereinnahmen.

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