No & ich
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Gelesen von Jennipher Antoni
Informationen: gekürzte Lesung, 310 Minuten, 4 CDs, 19.99 €
Verlag: steinbach sprechende bücher
Rezension
Lou, 13 Jahre alt und hochbegabt, ist anders. Das lassen schon die ersten Sätze erahnen, die Sprecherin Jennipher Antoni wie dunkle Wolken über dem Hörer heraufbeschwört. Sie versetzt uns in Lous Perspektive, lässt uns das Geschehen mit dem gestochen scharfen Blick der Ich-Erzählerin sehen: Die tuschelnden Mitschülerinnen, das Gesicht des Lehrers und sich selbst, wie sie das Thema ihres geplanten Referats nennt – obdachlose Frauen. Ein Thema, das für Lou alles verändern wird.
Während der Recherchen trifft Lou auf die nur wenige Jahre ältere No, die in Paris auf der Straße lebt. Und sie wagt, was bisher unmöglich schien: Die schüchterne Lou stellt Fragen, zeigt Interesse, erzählt von sich selbst. Als sie sieht, wie Nos raue Schale abblättert, dahinter Angst und Einsamkeit zum Vorschein kommen, trifft sie eine Entscheidung: Lou will No helfen, koste es, was es wolle.
Delphine de Vigan beschreibt die vorsichtige Annährung zweier Außenseiterinnen, ohne in den Kitsch abzugleiten. Eine traurige, aber keine trostlose Geschichte, die Mut macht, genau hinzusehen. Die Sprecherin Jennipher Antoni behält bis zum Schluss Lous Ton bei: Ernsthaft, ohne jede Leichtigkeit. Das lässt ihre Interpretation etwas eintönig, aber sehr authentisch wirken.
(akm)