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Wiederentdeckte Klassiker: Stefan Volk (smv)

Ein sprachgewaltiger Zeitroman

Thomas Wolfe: Schau heimwärts, Engel

William Faulkner nannte Thomas Wolfe den „überragenden Autor seiner Generation“. Auch deutsche Schriftsteller wie Hermann Hesse oder Klaus Mann bewunderten ihn. In seinem aufsehenerregenden Debüt „Schau heimwärts, Engel“ entwarf der erst 29-Jährige nicht nur eine autobiografisch motivierte „Geschichte vom begrabenen Leben“, sondern er sprach damit auch vielen seiner oft jungen Leser aus der Seele. Wolfe erzählt im weiten Bogen vom Zerfall einer amerikanischen Familie.

Die Handlung beginnt zwei Generationen bevor mit Eugene Gant der eigentlich Held, der Gelehrte, der Literaturversessene und damit Wolfes Alter Ego die Bühne betritt. Eugenes Vater säuft und schreit; die resolute, kleinkrämerische Mutter kalkuliert und kommandiert. Eingesperrt zwischen diesen widersprüchlichen, unbändigen, unerbittlichen Eltern wächst Eugene Gant in einer Kleinstadt im Süden der USA auf. Eugene flüchtet in die Welt der Literatur, besucht die Bibliothek, durchstöbert zu Hause die Regale, tauscht Romane mit seinen Freunden. „Doch diese Freiheit, dieses Abtauchen in Bücher, diese Träumerein und unbegrenzte Zeit der Phantasterei sollte nicht ewig andauern. (…) Die Jungen wurden alle schon in jungen Jahren zum Geldverdienen angehalten.“

Thomas Wolfe formte vor diesem prekären familiären Hintergrund in seinem 1929 erschienenen Roman ein weitläufiges Sittenbild der US-Gesellschaft. Statt eines harten, naturalistischen Tonfalls wählte er eine überschwängliche, wunderbar kraftvolle Sprache. Wenn er die Welt aus der Sicht des neugeborenen Eugene beschreibt, der bereits als Baby denkt und fühlt wie ein Erwachsener, sich aber nicht verständig machen kann, ergäbe alleine diese fantastische, humorvolle Abschweifung eine großartige Kurzgeschichte.

Das Buch wurde nach seinem Erscheinen schnell zum Kultroman. „Dem heutigen Leser deutscher Sprache“, so die „Editorische Notiz“ zur Neuübersetzung, „werden sich der Anspielungsreichtum und die Finessen der Intertextualität nur bedingt erschließen.“ Im Weltschmerz, den Selbstzweifeln und Schwärmereien Eugenes dürfte sich auch heute noch so mancher wiedererkennen. „Ein ungeheurer, seltsamer Lebenshunger nagte an ihm. (…) Hinter jeder der abertausend schäbigen Hausfassaden vermutete er wundersames, verborgenes Leben, zarte und zerrüttete Romanzen, etwas Dunkles und Unbekanntes.“ Bis zum Ende sucht Eugene rastlos nach dem wahren Leben und verliert es dabei immer mehr aus dem Auge.

Thomas Wolfe: Schau heimwärts, Engel. Übersetzt von Irma Wehrli, Manesse, 784 Seiten, 29,90 E

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