Mélodie d'amour
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 21.9 €
Verlag: Hanser
Rezension
Zwei Frauen wandern eine Deichkrone entlang: links die ungezügelte See, rechts das kultivierte Land. Welch feines Sinnbild für den emotionalen Grat, auf den de Moors Figuren im Roman "Mélodie d'amour" balancieren. Es sind Wohlstandsbürger der Jetztzeit, durch schicksalhafte Liebe aneinandergekettet. Die niederländische Autorin dekliniert ihr Urthema wertfrei, in zarten Tönen und grandiosen Metaphern.
Gustaaf hat ein Saugbagger-Unternehmen, und aus der Ehe mit Atie vier Söhne. Aties Verfall, die Scheidung und eine neue Vaterschaft bringen Gustaafs Leben außer Takt. Als Atie stirbt, wird ihm die "Marche funèbre" der Söhne - sie tragen den Sarg der Mutter - zum emotionalen Desaster. Gustaafs Sohn Luuk ist Archäologe, verheiratet und zweifacher Vater. Er weckt den Jagdinstinkt der Stalkerin Cindy. Als diese ihre Beute wieder verliert, kauft sie "sportshalber" einen Revolver. Luuk zieht eine zweite dämonische Geliebte an: Roselynde, deren inzestuöse Bruderliebe fatale Folgen hat. Luuks Ehefrau Myrte wiederum küsst einen Halbtoten wach.
Der Alltag, seine Rituale "ohne eine Spur von Metaphysik" bieten den Akteuren dieser Liebestragödien kurze Atempausen, ehe die emotionale "Sturmflut" (Titel von de Moors Meisterwerk von 2005) erneut über sie hereinbricht.