Die menschliche Unzulänglichkeit ist ein Lieblingsthema von Frank Schulz. Seine Protagonisten mäandern durchs Leben, von Liebe, Suff und sonstigem Irrwitz an- und abgetrieben, am Abgrund oder schon unten liegend, dabei aber immer eloquent und witzig. Schulz' großartiger Debütroman "Kolks blonde Bräute" erschien bereits 1991, der Erfolg blieb aus. Die weiteren Teile der "Hagener Trilogie" erschienen zwölf Jahre später, diesmal von der Kritik gefeiert. Schulz bekam gerade den "Kasseler Kunstpreis für Grotesken Humor" verliehen, verdienterweise, wie man nun am zweiten Roman über Onno Viets sehen kann: Nach den Ereignissen im ersten Teil mit dem "Irren vom Kiez" ist der schluffige Onno immer noch böse traumatisiert. Deshalb, so der Plan von Freund und Ich-Erzähler Stoffel, soll er sich auf eine erholsame Kreuzfahrt begeben, vorgeblich als Bodyguard von Donald, Stoffels exaltiertem Vetter. Die Reise gerät, wie vom boshaften Leser erhofft, zum genial erzählten Desaster. Eingerahmt wird das absurde Lebensstück in sieben Akten von kurzen, aber derben Kasperletheater-Szenen in breitestem Hamburger Platt. Allein deren politisch korrekte Übersetzung ins Hochdeutsch lässt den Leser grinsen.
(mpö)
Onno Viets sticht in See!
Frank Schulz schickt seinen eigenwilligen Privatdetektiv auf Kreuzfahrt. Aberwitzig und überbordend, sprachgewaltig und – ja – ergreifend.
Als Onno – Mitte 50, Hartz-IV-Empfänger, überzeugter Nichtschwitzer und ungeschlagen an der Pingpong-Platte – zumindest in Hamburg-Eppendorf – sich im Jahr 2012 zum ersten Mal zwischen zwei Buchdeckeln ausbreitete, um es gleich mit dem »Irren vom Kiez« aufzunehmen (zumindest privatdetektivisch), prophezeite Harry Rowohlt der deutschen Gegenwartsliteratur, dass sie sich spätestens jetzt »endgültig warm anziehen« könne. Auch andere Kollegen (Wolfgang Herrndorf: »Spitzenbuch!«) und die Presse (FAS: »Die Welt ist danach nicht mehr die gleiche«) verfielen dem ganz speziellen Viets’schen Charisma. Und nun hat Frank Schulz einem der wohl außergewöhnlichsten Privatdetektive der Literaturgeschichte einen neuen Fall
auf den noppenbesockten Leib geschrieben.
Noch immer leidet Onno unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, ausgelöst durch die Turbulenzen seiner ersten Ermittlungen. Da trifft es sich gut, dass der exzentrische Künstler Donald Jochemsen – Vetter von Onnos bestem Freund – nach Begleitung für eine Mittelmeerkreuzfahrt sucht. Er hat sein alterndes Herz an eine junge Sängerin verloren, die auf dem Schiff arbeitet, leidet aber zugleich unter einer stark ausgeprägten »Viktimophobie«.
Kein Wunder, dass er sich nach Beistand sehnt. Was die beiden auf dem Schiff erleben, schwankt zwischen der ersehnten Entspannung (Onno) und paranoid-misanthropischen Schüben (Donald), bis etwas Erschütterndes geschieht, das der turbulenten Reise ein abruptes Ende – und ganz andere Dinge in Gang setzt. Frank Schulz schreibt wie kein Zweiter. Seine Sprache strotzt vor Ideen, Witz und Eleganz. Ein fulminanter zweiter Onno Viets, ein großer Roman.