Was für ein Roman! Was für eine Sprache! „Die Blechtrommel“ ist ein einmaliges Stück deutscher Literatur. Wie kunstvoll Grass seine Sätze drechselt, mit wie viel Witz und Fantasie er Oskar Matzerath, den Gnom aus Überzeugung, mit den Erwachsenen, dem Nazi-Regime und der jungen Bundesrepublik abrechnen lässt, das ist einfach ein Genuss. Vor allem von Grass selbst und ungekürzt gelesen. Grass gehört zu jenen Autoren, die ihre Werke am besten selbst vortragen können. Bedächtig entfaltet er seine Satzgebilde. Grass hat nach der Blechtrommel noch vieles geschrieben und geredet – aber an dieses Meisterwerk der Fabulierkunst ist er nie wieder herangekommen. Mit 15 Euro ist diese Aufnahme superpreiswert.
(jr)
Anfang der 50er Jahre trommelt und schreibt in einer Heil- und Pflegeanstalt ein Buckliger des Jahrgangs 1924 die Geschichte seines Lebens und seiner Familie vom Begin des Jahrhunderts bis in das Deutschland Adenauers. Oskar Matzerath hat alles gesehen und gehört, nichts ist ihm entgangen, denn er war ein hellhöriger Säugling, dessen geistige Entwicklung bereits bei der Geburt abgeschlossen war. Der Außenseiter, der Wirklichkeit ertrommeln und Glas zersingen kann, erweist sich dabei als der einzige Gesunde in einer Welt des Scheins, der Lüge und des Verbrechens. Am Ende seiner phantastischen Autobiographie, die Oskar vom Vorkriegs-Danzig bis ins Düsseldorf der Nachkriegszeit führt, "entdeckt man, daß man über Deutschland und Mitteleuropa - sowohl in der Zeit des Völkermordes als auch im Biedermeier der Restauration - mehr weiß als je zuvor" (Lars Gustafsson). Mit dem Erscheinen der "Blechtrommel" 1959 gewann der deutsche Nachkriegsroman Anschluss an die Weltliteratur und Oskar der Trommler seinen festen Platz in der modernen Mythologie.