Schriftstellerpaare
Gemeinsam schreibt man weniger allein
Die Verbundenheit im Schriftstellerischen ist befruchtend. Und sie kann Liebende an Grenzen bringen. Doch selbst wenn auf Höhenflüge die Trennung folgt, die Verbundenheit im Geist bleibt meist bestehen.
Jonathan Safran Foer und Nicole Krauss tun es, die von Arnims taten es Ende des 18. Jahrhunderts, die von Hofmannsthals und Schnitzlers ein Jahrhundert später, und auch Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, die sich zeitlebens siezten, sind bloß ein Paar von vielen, die nicht nur Bett, sondern auch Schreibtisch teilten.
Wie kompliziert die Verbindung im Schriftstellerischen sein kann, zeigt „Lucinde“ von Friedrich Schlegel. Seine Definition von Liebenden „Nur in der Antwort seines Du kann jedes Ich seine unendliche Einheit ganz fühlen“ liest sich zwar nachvollziehbar, doch blieb der Rest dieser Reflexion über die Liebe weitgehend umstritten; ebenso wie seine Zuneigung zur Schriftstellerin Dorothea Veit.
Bei Siri Hustvedt und Paul Auster läuft es da runder. In einem ZEIT-Interview erklärte Hustvedt: „Es gehört zur Natur der Ehe, dass es ein Ziehen und Zerren gibt. […] Beziehung ist eine Art von Dialog. Es entsteht so etwas drittes Gemeinsames, was über den Einzelnen hinausgeht, darin liegt unendlich viel mehr als im Ideal der romantischen Liebe.“
Ein solches eindrucksvolles drittes Gemeinsames haben „Wolf“ und „Bärchen“, Julio Cortázar und Carol Dunlop, Anfang der 1980er-Jahre entstehen lassen. Beide bereits vom Tod gezeichnet, machten mit „Die Autonauten auf der Kosmobahn“ Autobahnraststätten zum Gegenstand ihrer Gralssuche. Mit einem geradezu zärtlichen Duktus haben sie damit das literarische Gegenstück zu einem Roadmovie geschaffen.
Sie schrieben …
Zwei, die die Tücken von Zweisamkeit genau kennen, sind Eva-Maria und Wolfram Zurhorst. Ihre Partnerschaftsratgeber wie die aktuellen Titel „Der Beziehungsretter“ und „Soul Sex“ entstehen nicht am grünen Tisch. Die beiden sind seit rund 20 Jahren verheiratet, haben ein Kind, einen Seitensprung und eine große Ehekrise hinter sich.
Mathias und Haja Taddigs wenden sich dagegen romanhaft den Geschlechterrollen zu. Ihre Debüts „Ein Mann, ein Ring“ und „Eine Frau, ein Wort“ erzählen ein und dieselbe Geschichte aus zwei Perspektiven. Als Grundlage dienten gemeinsame Urlaubserinnerungen. Mathias Taddig erinnert sich: „Schon beim Brainstormen stellten wir fest, dass sich unsere Erinnerungen meilenweit voneinander unterschieden. Es ist beachtlich, wie verschieden man sich an ein und dieselbe Szene erinnert.“ Typisch Frau und typisch Mann eben. Wie extrem unterhaltsam diese Sichtweisen sein können, wissen wir spätestens seit Loriot.
… und sie schlugen sich
Weniger unterhaltsam war offenbar das Schreiben von „Der Sommer, als wir die Röcke hoben und die Welt gegen die Wand fuhr“. Beim Schreiben dieses Skandalromans haben Jos Verlooy, alias Elvis Peeters, und Nicole Van Bael viel gestritten, wie sie ihrer Übersetzerin im Blumenbar Verlag berichteten: „Unsere Diskussionen drehten sich vor allem darum: Wie verfasst man ein Buch mit viel Sex und Gewalt, ohne dass es pornografisch wird? Wie schafft man es, ein Gleichgewicht zwischen den groben Szenen und dem manchmal liebevollen Naturell der Jugendlichen herzustellen? Wie bleibt das Ganze glaubwürdig?“ Am Ende steht eine heftige Lektüre über Gesellschaft und Verantwortung, die nachdenklich stimmt. Und die auch bei den Autoren nachhallt: „Die Realität, die wir den Medien entnommen haben, erwies sich als noch härter, als wir aushielten. Ein Buch, an dem du arbeitest, kriecht in deine Seele. Zusammen an einem Buch zu schreiben, bedeutet auch, dass das Buch von allem Besitz ergreift.“
Turbulent ging es auch bei Zelda und F. Scott Fitzgerald zu. Sie endeten psychisch und finanziell nach rund 15 Jahren am Boden. Selbst- und Trunksucht zweier exzentrischer Ikonen und ein ausuferndes Amüsement in den Roaring Twenties forderten ihren Tribut. Doch blieb am Ende diese ganz besondere Verbundenheit, die F. Scott Fitzgerald in einem späten Briefwechsel so formuliert: „Oh Zelda, wir waren einmal ein einziger Mensch, und ein bißchen wird es immer so bleiben.“ Im September erscheint als weltweite Erstveröffentlichung das Eheprotokoll „Wir waren furchtbar gute Schauspieler“ im Hörverlag. Gegen diese Wucht nimmt sich Bert Brechts Formulierung geradezu bodenständig aus. In einem Brief an seine „Helle“ beschreibt er neben vielerlei Liebesbekundungen auch sehr praktische Dinge, wie zum Beispiel „ich lerne: gläser + tassen spülen“.
Auch die „Liebe zwischen Intimität und Öffentlichkeit“ von Max Frisch und Ingeborg Bachmann erwies sich als unmöglich, wie die Biografie von Ingeborg Gleichauf, die letzten Herbst im Piper Verlag erschien, verdeutlicht. Frischs ernüchterndes Resümee dieser überaus komplizierten Amour fou: „Ich bin ein Narr und weiß es.“
Von Grenzgängern …
Gleich mit zwei Schriftstellern fühlte sich die Journalistin Helen Hessel verbunden. Ihre Aufzeichnungen über ihre Ménage-à-trois mit ihrem Mann, dem Schriftsteller und einstigen Rowohlt-Lektor, Franz Hessel und Henri-Pierre Roché gelten als Vorlage für dessen Roman „Jules et Jim“, der von Truffaut verfilmt wurde. Die Helen-Hessel-Biografie „Die Frau, die Jules und Jim liebte“ ist bei Schöffling erschienen.
Und auch über den Tod hinaus haben Partnerschaften Bestand. So beleuchtet der russische Philosoph Michail Ryklin in seinem Buch über Anna (Suhrkamp Verlag) den Tod seiner Frau. Bis heute gibt es Vermutungen, dass die Künstlerin und Lyrikerin Anna Altschuk Opfer religiöser Fanatiker wurde. Ihre Teilnahme an einer Ausstellung brachte ihr einen Prozess aufgrund von „Verletzung religiöser Gefühle“ ein. Ihr Mann, der „Mit dem Recht des Stärkeren“ diesen Prozess und die Vorgänge in Putins Russland analysiert, wurde dafür 2007 mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet. Er glaubt an einen Selbstmord seiner Frau, den er in ihrem Heimatverlust und anhaltenden Anfeindungen begründet sieht.
Ebenfalls einer wahren Begebenheit widmet sich Anja Reichs neuer Titel „Der Fall Scholl. Das tödliche Ende einer Ehe“ (Ullstein). Das Ehepaar Anja Reich und Alexander Osang schreibt auch gemeinsame Titel und lieferte mit „Wo warst du?“ (Piper) nicht nur eine sehr persönliche Schilderung von 9/11 ab, sondern gewährte damit auch eindrucksvolle Einblicke in seine Partnerschaft. In die Ehe zweier Journalisten, deren Blickwinkel auf Geschehnisse sich als Familie verändern.
… und knisternden Verbindungen
Für Hochspannung sorgen Krimi-Paare wie Roman Voosen und Kerstin Danielsson, deren schreiberische Verbundenheit mit einer Brieffreundschaft zwischen Deutschland und Schweden begann. In ihren Romanen um Ingrid Nyström und Stina Forss verzichten sie auf Männer-Frauen-Klischees und setzen auf die Dynamik eines weiblichen Ermittlerduos. Klassische Rollenaufteilungen gibt es höchstens beim Schreiben, wie Roman Voosen beschreibt: „Kerstin ist vielleicht etwas mehr für Atmosphäre und Authentizität zuständig und ich für das Makabre, Abgründige. Manchmal führen verschiedene Ideen sicherlich auch zu Reibungen, aber diese Reibungswärme tut unseren Geschichten gut. Für unsere Beziehung ist das gemeinsame Schreiben eine große Bereicherung.“ Mit „Später Frost“ und „Rotwild“ schrieben sie sich in die Herzen der Schwedenkrimi-Freunde, der dritte Fall „Aus eisiger Tiefe“ erscheint im September. Auch Alexandra Coelho Ahndoril und Alexander Ahndoril, alias Lars Kepler, schreiben Schweden-Krimis. Derzeit die bestverkauften im Wallander-Land. „Der Sandmann“, der vierte Fall um Ermittler Joona Linna, ist in diesem Frühjahr auf Deutsch im Bastei Lübbe Verlag erschienen.
Professionelle Arbeitsteilung
Auf Spannungsliteratur gebucht ist auch das britische Ehepaar Nicci Gerrard und Sean French, alias Nicci French. Seit über 15 Jahren schreiben die beiden Bestseller mit Millionenauflagen und viele Leser sind immer noch erstaunt, wenn sie erfahren, dass diese „Autorin“ aus zwei Hälften besteht. „Da uns die Idee gemeinsam kam, schien es nur angemessen, das Buch zusammen zu schreiben und eine einzige Stimme zu entwerfen“, beschreiben die beiden die Geburt von Nicci French anlässlich ihres ersten gemeinsamen Krimis „Der Glaspavillon“. Das Ziel des Duos war von Anfang an, dass die Leser wirklich glauben, Nicci French existiere als eine Person, denn im gemeinsamen Schreibprozess entsteht eine dritte Stimme mit eigenem Stil. Zuletzt erschien mit „Schwarzer Mittwoch“ der dritte Band der Krimi-Serie um die Therapeutin Frieda Klein.
Wolfram Hänel und Ulrike Gerold haben sich ebenfalls für ein weibliches Pseudonym entschieden: Nach dem Krimi-Debüt „Kein Erbarmen“ im zu Klampen! Verlag veröffentlichten sie nun unter Freda Wolff den Nachfolger „Schwesterlein muss sterben“, die Fortsetzung um die Psychologin Merette Schulman erscheint im nächsten Jahr. Auch bei diesen beiden lautet das Geheimrezept: Professionalität bei Arbeitsteilung und Kritik: „Das hat etwas mit Vertrauen zu tun – wir verändern ja nicht, um dem anderen zu beweisen, sieh mal, das kann ich aber besser […]. Wir kommen beide vom Theater, und eine Sache haben wir dort unbedingt gelernt: Es kann immer nur um das Endprodukt gehen! Persönliche Eitelkeiten und Konkurrenzen sind kontraproduktiv. Richtig Streit oder Unmut entsteht eher aus dem Alltag, den wir ja auch noch irgendwie in den Griff bekommen müssen […]. Im besten Fall lässt sich das dann aber auch gleich wieder nutzbar für unsere Geschichte machen, denn Merette oder Jan-Ole geht es ja ganz genauso.“
Wenn bei Petra Rinkes und Roland Ballwieser die Szenen zum Redigieren auf dem Tisch des anderen landen, braucht es vor allem eins: Gelassenheit. Roland Ballwieser: „Eine pulitzerpreisverdächtige Szene – denke ich. Nach der Korrektur durch meine Ehefrau und Co-Autorin denke ich nicht mehr so. Aber ich liebe sie trotzdem noch – denke ich.“ Petra Rinkes: „Kopfschütteln und mit großer Geste durchstreichen – mein Ehemann und Schreibpartner beim Korrigieren einer Szene von mir. Messer holen und Scheidungsanwalt anrufen – ich, wenn ich ihn dabei beobachte. Endlose Diskussionen später habe ich ihn wieder lieb – meistens, irgendwann.“ Jetzt herrscht aber erst mal Harmonie im Hause Rinkes-Ballwieser, denn das Manuskript ist abgegeben, „SchneeWehen“, der neue Fall für die Ermittler Stefan Simpel und Mike Ziegler, erscheint im Oktober bei ArsEdition.
Die Beispiele zeigen: Gemeinsames Schreiben stellt weder einen verlässlichen Zusammenhalt noch einen sicheren Trennungsgrund dar. Und ob sich Novalis mit „Der Mann ist lyrisch, die Frau episch, die Ehe dramatisch“ als Versuch eines Fazits eignet, sei auch dahingestellt.