Tabu
ERZÄHLUNGEN UND ROMANE
Informationen: , 17.99 €
Verlag: Piper
Rezension
Wer bis Seite 135 durchgehalten und dabei seine Schmerzunempfindlichkeit gegen sprachliche Schnitzer aller Art bewahrt hat, wird in der zweiten Hälfte des Romans "Tabu" von Ferdinand von Schirach doch noch belohnt. Da kommt der Autor, im Hauptberuf Strafverteidiger, in Fahrt. Auf seinem ureigenen Terrain, der Verteidigung eines Delinquenten, kennt er sich aus, da vermag er einen Fall von einiger Brisanz fesselnd zu entwickeln. Wie schon im ersten Schirrach-Roman "Der Fall Collini" geht es in diesem Strafprozess wieder um sehr Grundsätzliches, hier um die Androhung von Folter durch einen Polizeibeamten. Man darf sich gewiss an den Frankfurter Fall erinnert fühlen, in dem ein hochrangiger Polizist dem Entführer eines kleinen Jungen Folter androhte, um das Leben des Kindes zu retten. Auch in "Tabu" geht es um einen Fall von Entführung und Mord - wobei das Ende hier eine Überraschung bietet. Dem betreffenden Polizisten aber kündigt der ein wenig knorrige Anwalt Biegler an: "Ich würde Ihnen die Pension entziehen und Sie aus dem Dienst entlassen. Aber ich würde Sie bewundern, weil Sie Ihre Zukunft für das Leben der jungen Frau geopfert haben." Den mutmaßlichen Täter, einen Künstler mit autistischen Zügen, stellt uns der Autor schon in der ersten Hälfte vor, allzu ausführlich und im schlichten Schirach-Stil. Wie gesagt, da muss man halt durch.
(sti)