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Überschätzte Bücher: Stefan Volk (smv)

Nicht allzu tiefschürfend

Hape Kerkeling: Ich bin dann mal weg

Satte 100 Wochen rangierte „Ich bin dann mal weg“ auf Platz 1 der Bestsellerliste, über 4 Millionen Exemplare wurden verkauft, eine Verfilmung ist schon geplant. Dass das im Mai 2006 veröffentlichte Buch einen Nerv traf, lässt sich kaum bestreiten. Dass es den Hype, den es auslöste, auch tatsächlich verdient hat, allerdings schon.

Keine Frage: Hape Kerkeling ist ein sympathischer, herrlich komischer Unterhaltungskünstler. Es ehrt ihn, wenn er mit dem Bericht über seine Pilgerreise, die Sinnleere einer „nahezu entspiritualisierten“ Zeit ein wenig zu füllen versucht. Allerdings, so nachvollziehbar und stimmig Kerkelings Einsichten auch sein mögen, allzu tiefschürfend klingen sie nicht. Am Ende seiner sechswöchigen Pilgerreise formuliert Kerkeling die Erkenntnis: „Gott ist ‚das eine Individuum’, das sich unendlich öffnet um ‚alle’ zu befreien. Und das Gegenteil der Göttlichkeit ist meiner Ansicht nach die Umkehrung dieses Satzes: ‚Alle’, die ‚das eine Individuum’ erdrücken und sich dabei selber zerquetschen.“ Kerkeling mag diese Botschaft auf den über 600 Kilometern, die er auf dem Jakobsweg zurücklegte, für sich selbst mit Leben erfüllt haben, aber für die Leser seines Wandertagebuches muss sich das nach über 300 Seiten nach einer Phrase aus dem Esoterikbaukasten anhören.

Was Kerkelings Schmöker jenseits gutgemeinter Kalenderspruchweisheiten noch zu bieten hat, lässt sich erahnen, wenn er zum Schluss resümiert: „Jeder einzelne Wandertag war ebenso strukturiert wie der gesamte Camino. Das Detail ist das Abbild des Ganzen. Eins ist in Allem und Alles ist in Einem.“ So ist das nämlich auch mit dem Buch. Ein Kapitel ist wie das andere. Morgens zieht Hape seine Wanderschuhe an, dann geht er los, bis er sich am Abend in einem „Refugio“ den Pilgerpass-Stempel abholt, um anschließend in einer charmanten Pension die Schuhe wieder abzustreifen.

Natürlich begegnet Kerkeling unterwegs allerhand kauzigen Gestalten und weiß von manch kuriosem Erlebnis zu erzählen. Manchmal ist das zum Schmunzeln; oft zum Gähnen. Wer sich nicht dafür begeistert, nachzulesen wie Kerkeling „nach dem Frühstück zur Bushaltestelle gekrochen und vollkommen schuldgefühlfrei mit dem Bus die sechsunddreißig Kilometer nach Burgos gefahren“ ist, der kann durchaus mal vollkommen schuldgefühlfrei und ohne etwas zu verpassen sechsunddreißig Seiten überblättern.

Am unterhaltsamsten ist „Ich bin dann mal weg“ noch an den erstaunlich wenigen Stellen, an denen es persönlich wird, wenn Kerkeling sich etwa über Schwulenfeindlichkeit echauffiert, über den Medienbetrieb oder die Kirche lästert. Das geht aber auch nur solange gut, bis er ins Philosophieren gerät: „Gott ist der Film und die Kirche ist das Kino, in dem der Film läuft.“ In der Verfilmung seines eigenen Bestsellers sollte Hape Kerkeling unbedingt mitspielen. Denn ohne den begnadeten Komödianten in der Hauptrolle dürfte es wohl nur eines geben, was noch öder ist, als zu lesen, wie sich ein Mann einen Pilgerstab kauft und dann mal losläuft und läuft und läuft: ein Film darüber.

Ich bin dann mal weg – Meine Reise auf dem Jakobsweg, Hape Kerkeling, Piper Verlag. 352 Seiten. 9,95 Euro

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