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Interview: Christian Bärmann (bär) | Fotos: Uwe Tölle

Henning Mankell und Axel Milberg

„Es macht mich glücklich, Axels Interpretationen zu hören“

Eigentlich seien Interviews und Fotoshootings nicht so seine Sache, schickt Henning Mankell voraus. Aber mit Schauspieler Axel Milberg an seiner Seite läuft der schwedische Bestseller-Autor im Lübecker Hotel „Kaiserhof“ dann doch schnell warm. Die gegenseitig hohe Wertschätzung zwischen Schriftsteller und seinem deutschen „Haussprecher“ führt zu einem lebendigen Gespräch. 

Herr Mankell, was hat Sie dazu inspiriert, in ihrem neuen Roman „Der Chinese“ Ihre Heimat Schweden, Ihre zweite Heimat Afrika und China miteinander zu verknüpfen?

Vor einigen Jahren hat China der Regierung von Mozambique Geld gespendet, damit der Bau des Außenministeriums finanziert werden konnte. Während der Bauarbeiten wurde bekannt, dass die afrikanischen Arbeiter von chinesischen Vorarbeitern geschlagen wurden. Zu dieser Zeit dachte ich darüber nach, ob Chinas wirtschaftliches Engagement in Afrika das Risiko eines Neo-Kolonialismus bergen könnte – dieser Gedanke inspirierte mich zu meinem neuen Buch. Ich will damit nicht sagen, dass China mit neo-kolonialen Ambitionen nach Afrika kommt, aber zumindest muss man diesem Engagement kritisch gegenüberstehen. Ob es wirklich soweit kommt, können wir erst in zehn Jahren beurteilen. Aber ich möchte mit „Der Chinese“ dafür sensibilisieren, dass wir den Prozess genau beobachten müssen.

Olympische Spiele in Peking, die massive Tibet-Diskussion … Das Timing der Veröffentlichung könnte nicht besser sein.

Mir ist natürlich klar, dass alle denken, das Buch sei absichtlich zu dieser Zeit herausgekommen. Aber eigentlich sollte es bereits im vergangenen Herbst veröffentlicht werden. Da es gleichzeitig in sieben Sprachen erscheinen sollte, hat sich der Prozess verzögert. Auf der anderen Seite stört es mich natürlich nicht.

Herr Mankell, wie finden Sie Axel Milbergs Interpretation Ihrer Romane? Liest er so, wie Sie es sich vorstellen oder erleben Sie Ihre Romane neu?

Er macht das unglaublich gut. Vor allem, weil er nicht nur meinen Text liest, sondern versucht, etwas hinzuzufügen und auf bestimmte Weise seine eigene Geschichte zu erzählen. Er gibt dem Text seine eigene Persönlichkeit. Deswegen macht es mich so glücklich, Axels Interpretation zuzuhören. Wenn es nach mir geht, sollte nur er meine weiteren Romane lesen.

Ein schönes Kompliment für Ihre Arbeit, Herr Milberg …

Es macht mich natürlich sehr stolz zu hören, was Henning Mankell über meine Lesung seiner Romane denkt. Wobei ich gar nicht das Gefühl habe, etwas hinzuzufügen. Meine Aufgabe ist es, dem Zuhörer Bilder, Bewegungen und Gefühle zu vermitteln. Deswegen gehe ich physisch in die Figuren hinein. Ich setze sie genau den Situationen aus, in denen sie sich gerade befinden. Das verändert den Atem und den Rhythmus. Bei Gefahr, Lebensgefahr, Mord und Feindschaft verlangsame ich gerne. Denn gerade, wenn wir unter Schock stehen, erinnern wir uns oft an eine verlangsamte Abfolge. Horror ist ungemein konkret. Und ich bilde mir ein, sehr genau zu verstehen, wie Mankell schreibt. Wie er aus einer Totalen beginnt und sich aus einer Halbtotalen bis zu einem Detail hinarbeitet.

Was zeichnet die Mankell-Romane Ihrer Meinung nach noch aus?

Seine Sicht der Dinge. In keinem seiner Romane geschieht ein Verbrechen, nur weil die Menschen böse sind. Es ist immer ein Verbrechen, vor dem eigentlich ein anderes Verbrechen liegt – und der Verbrecher bezieht sich auf dieses andere. Das erlebt man auch bei Strindberg und Ibsen, und ist vielleicht ein skandinavisches Thema. Die Söhne müssen die Verbrechen der Väter büßen, das findet man ganz oft – ob in „Die Wildente“ oder „Die Frau vom Meer“. In „Der Chinese“ liegt das Verbrechen 138 Jahre zurück und kommt von China über Amerika nach Schweden zurück. Am Ende werden in Schweden die Nachfahren eines Sadisten ermordet. Sie sind zwar unschuldig, tragen aber in einer übergeordneten Weise die Schuld ihrer Vorfahren in sich. Dadurch gelingt es Mankell, die Kolonialisierung und sowie Verbrechen des 19. und 20. Jahrhunderts in unserer Zeit aktuell zu machen.

 

Zitat: „Es ist ein wichtiger Teil unserer Kultur, Geschichten zuzuhören.“ (Henning Mankell)

Henning Mankell

Henning Mankell (geboren 1948 in Stockholm), begann 1968 als Autor und Regisseur zu arbeiten. 1986 übernahm er die Leitung der 70köpfigen Gruppe des Teatro Avenida in Maputo und verbringt dort heute mehr als die Hälfte des Jahres. Sein Leben in Mosambik lieferte Mankell den Stoff für verschiedene Romane, die in Afrika angesiedelt sind. Bei uns wurde Mankell aber vor allem durch seine Wallander-Kriminalromane bekannt, die viele skandinavische Thrillerautoren inspiriert haben dürften. Ferner hat er mehr ausgezeichnet Autor zahlreiche Kinder- und Jugendbücher geschrieben.

www.mankell.de

Zitat: „Nur wenn man im Studio eine Gänsehaut bekommt, funktioniert die Lesung.“ (Axel Milberg)

Axel Milberg

Axel Milberg wurde 1956 in Kiel geboren – wo er seit 2003 als „Tatort“-Kommissar Klaus Borowski wieder regelmäßig im Einsatz ist. Nach dem Abitur besuchte Milberg die rennomierte Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München und gehörte danach 17 Jahre dem Ensemble der dortigen Kammerspiele an. Seit den 90er Jahren ist der vielseitige Schauspieler in zahlreichen Kino- und Fernsehproduktionen zu sehen (u.a. „Nach fünf im Urwald“, „Der Campus“ und „Stauffenberg“). Axel Milberg lebt mit seiner Familie in München.

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