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Daniel Kehlmann und Ulrich Matthes

Mollwitz, eine der Figuren in „Ruhm“, hinterlässt tausende Einträge in Internet-Foren – und zwar in einer Diktion, die sich kaum an die Regeln der deutschen Sprache hält. Wie schwer ist es Ihnen gefallen, die entsprechenden Passagen einzulesen, Herr Matthes? Immerhin war Ihr eigener Vater, einst Chefredakteur beim „Tagesspiegel“, seinerzeit quasi die Personifizierung korrekten Sprach- und Schreibstils.

Matthes: Beim Vertonen empfand ich nichts als die reine Lust – und zwar vor allem an der grandiosen Fantasie des Autors, der diese Kunstsprache erfunden hat. Mich fasziniert, wie Daniel – der sich ja selbst deutlich gewählter ausdrückt – es hinbekommen hat, einen solchen Nerd derart authentisch erscheinen zu lassen. Im realen Leben dagegen ist es in der Tat geradezu niederschmetternd, wie der Sprachkörper durch manche Menschen bisweilen geschändet, gefoltert und vergewaltigt wird.

 

  • Ulrich Matthes und Daniel Kehlmann

Obwohl Sie, Herr Kehlmann, zwei Ihrer Werke selbst als Hörbuch eingelesen haben, plädieren Sie im Booklet zu den „Ruhm“-CDs eindeutig gegen die Autorenlesung …

Kehlmann: Für mich ist völlig klar, dass ein Profisprecher schon rein akustisch ein besseres Produkt abzuliefern vermag als ich. Bei Ulrich Matthes kommt hinzu, dass er sich sehr akribisch auf jede Lesung vorbereitet. Bereits im Vorfeld wendet er sich mit einer Reihe von Fragen an mich, die den Text betreffen. Bei „Ruhm“ sind ihm sogar ein paar Fehler aufgefallen, die noch nicht einmal der Lektor gefunden hatte. Ulrich arbeitet am Text mit einer Intensität, die einfach nur beeindruckend ist.

Die Lesung, die wenige Stunden später im „Berliner Ensemble“ stattfindet, bestätigt Kehlmanns Einschätzung. Matthes geht mit unglaublicher Konzentration zu Werke und scheut nicht davor zurück, gleich zu Beginn einen störenden Fotografen zurechtzuweisen. Im Anschluss an die atemberaubende Interpretation nimmt er die Ovationen des Publikums entgegen. Wie sehr ihn die vorgetragene Geschichte selbst berührt hat, belegt seine anschließende Verbeugung vor dem Autor – den Matthes dann auch noch spontan auf beide Wangen küsst.

Herr Kehlmann, auf die Frage, welche Bücher Sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden, haben Sie einmal sinngemäß geantwortet: „Auf keinen Fall die eigenen – das wäre für mich die Hölle.“ Gilt das auch für die von Ulrich Matthes eingelesenen Hörbuchfassungen Ihrer Werke?

(Matthes bricht in schallendes Gelächter aus)

Kehlmann: Zunächst einmal würde ich eher solche Hörbücher vorziehen, bei denen Ulrich Matthes die Werke anderer Autoren vorliest – etwa den „Prozess“ von Kafka oder Nabokovs „Pnin“. Aber wenn es wirklich nicht anders ginge, dann nähme ich in der Tat lieber die Hörbuchversionen meiner eigenen Bücher mit. Denn durch Ulrichs Interpretation kann ich sogar über meine eigenen Texte noch etwas lernen.

Können Sie das an einem Beispiel erläutern?

Kehlmann: So, wie er den Text über den Internet-Freak Mollwitz gelesen hat, habe ich das Gefühl, dass ich selbst die Figur noch besser verstehe. Mir war vorher nicht klar, wie viel Komik dieser Charakter in sich birgt. Ulrich hat das an einigen Stellen beeindruckend herausgearbeitet und der Figur dadurch eine Tiefe gegeben, die mir bis dahin gar nicht bewusst war.

In der Tat ist Matthes’ Lesung des Textes über den Internet-Blogger Mollwitz der Höhepunkt des Abends. Selbst Kehlmann muss sich gewaltig zusammenreißen, um auf der Bühne nicht in Gelächter auszubrechen. Dabei birgt die Figur bei aller Komik auch eine gewisse Tragik in sich: Mollwitz träumt vergeblich davon, von seinem Lieblingsautor Leo Richter in einer Geschichte verewigt zu werden.

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