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LEUCHTENDES SCHWEIGEN, BRENNENDER BAUM

Weihnachten: Das Fest der Feste

Weihnachten ist das schönste und schlimmste Fest unseres Kulturkreises. Der relativ beliebig gewählte Tag, der nicht einmal am Ende eines Monats liegt, an dem Jesus mit Sicherheit nicht geboren ist und an dem es meistens regnet, ist so mit Bedeutung aufgeladen, dass er eine Menge Geschichten generiert – unabhängig davon, ob man das Fest hinterher als gelungen bezeichnen kann.

Jeder, der feiert und sogar jeder, der sich dem Fest entschieden verweigert, kann mindestens eine Weihnachtsgeschichte erzählen. Die Titel, die sie tragen, sind sehr unterschiedlich: „Wie meine Mutter mir jedes Jahr dieselbe Schildkröt-Puppe schenkte (und sie am 6. Januar wieder verschwinden ließ)“ oder „Wie mein Cousin und ich dem Weihnachtsmann die Maske klauten“ oder „Wie Onkel Holger so betrunken war, dass er die Gardine anzündete und wie wir dann den ganzen Abend Piratenlieder sangen“ oder „Warum Mutter und Tante Anna seit zwölf Jahren nicht mehr miteinander reden“.

Verwandte besorgen in mörderischen Kraftakten genau das richtige Geschenk, Familien werden zusammen mit allen Sorten fettigen Essens und jeder Menge Alkohol auf engstem Raum zusammengedrängt, Einsame werden melancholisch, Kinder starren verzaubert ins Kerzenlicht, Streitigkeiten überdauern gut und gerne zwei, drei oder zehn Weihnachtsfeste. Die zweifelhaften Rituale, denen wir uns und unsere Lieben jedes Jahr wieder begeistert oder widerwillig aussetzen, haben tragikomisches Potenzial.

Zu den Weihnachtsklassikern, die es längst auch in Hörbuchform gibt, gehören definitiv „Der kleine Lord“, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ und Dickens' „Weihnachtsmärchen“, ob man nun eine ruhige Lesung von Joachim Król oder die abgedrehte Muppets-Version bevorzugt. Wer es unsentimental mag, sollte es lieber mit Grishams „Fest“ oder „Auggie Wren's Christmas Story“ versuchen. Und wer in all dem Trubel ein wenig Verständnis und wohltuende Ironie sucht, findet es bei Böll und Loriot. In der Weihnachtszeit nicht wahnsinnig zu werden, ist schwierig, aber möglich.