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Themenwelt

HÖRBÜCHER FÜR KINDER

Hörbücher für ganz Kleine

Was macht ein gutes Hörbuch für drei- bis sechsjährige Kinder aus? Denn eins ist schon mal sicher: Hörbücher können für die Kleinen etwas Wertvolles sein. 

"...wie dumm von der Schlange! Sie fürchtet sich so. Dabei gibt's ihn doch gar nicht, den Grüffel ... oooooooh!" Julia Donaldson schreit auf, und die Kinder juchzen vor Freude. Und das, obwohl sich Malcolm Donaldson mit "Grüffelo"-Handpuppe von hinten an seine vorlesende Frau heranschleicht. Wir sind in der Päki-Buchhandlung in Hamburg, der Laden ist proppevoll. Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren blicken gebannt auf die vier Erwachsenen, die für sie eine Show abziehen. "Der Grüffelo" ist auf Tour, und mit ihm seine Schöpfer: die englische Autorin Julia Donaldson und der deutsche Illustrator Axel Scheffler sowie Donaldsons Ehemann Malcolm - eigentlich Kinderarzt in Glasgow - und Ilona Schulz, die Sprecherin der deutschen Hörbuchfassung. Obwohl der Grüffelo ein Monster ist - "ein Wesen mit schrecklichen Klauen und schrecklichen Zähnen, um Tiere zu kauen" - herrscht bei den Kindern ausgelassene Stimmung. Logisch, kennen sie doch den Kinder(hör-)buchhit in- und auswendig. Was aber macht den "Grüffelo" so besonders? Warum lieben ihn die Kinder? Gar so sehr, wie Julia Donaldson in bestem Deutsch berichtet, dass das schönste Kompliment, das sie bislang erhalten hat, von einer englischen Mutter kam: "Sie sagte mir, dass das erste Wort ihres Kindes ,Grüffelo' gewesen sei, nicht ,Mama" oder ,Papa'".

"Das Wunderbare an Kinderbüchern ist, dass es keine Formel gibt", erklärt Julia Donaldson, die gemeinsam mit Axel Scheffler etliche-Kinderbücher geschaffen hat, von denen "Der Grüffelo" bislang das erfolgreichste ist. "Sie können abenteuerlich, lustig oder traurig sein." Allerdings reiche es nicht, nur eine einfache Idee zu haben und dann mit einem Witz auf der letzten Seite zu enden. Ein Kinderbuch, das in den Spielzimmern ein Klassiker werden möchte, sollte mit Sprache spielen sowie eine überraschende und tiefere Handlung abliefern. Den Hörbuchverlagen fällt die offenbar gar nicht so einfache Aufgabe zu, das Niveau in der Audiofassung zu halten. Von der Schwierigkeit dieses Unterfangens zeugen viele Produktionen, die selbst kleinen Kindern nicht gefallen und Erwachsene nerven.  "Ein gutes Hörbuch kann für ganz kleine Menschen etwas Wertvolles sein. Es fördert die Sprachentwicklung und Auffassungsgabe und regt die Fantasie an", betont die Journalistin Heide Germann, die seit Jahren mit einigen Kollegen den kommentierten Überblick "Töne für Kinder" verfasst, "denn wer richtig zuhören kann, wird leichter Sprechen und Lernen können."

Ein weiteres Kriterium für ein gutes Kinderhörbuch ist die geradlinige Erzählweise, da Kleinkinder Perspektivwechsel nicht immer verstehen und beim Hörbuch nicht zurückgeblättert werden kann. Der Einsatz von Musik und Gesang spielt ebenfalls eine große Rolle, da die Kleinen auf Melodien und Reime reagieren. "Musik", so Heide Germann, "schafft Raum, damit sich Kinder eigene Bilder schaffen können." Gerade Reime eignen sich oft sehr gut für die Umsetzung als Hörbuch. Sie fördern Sprachentwicklung und Fantasie, da sie zum Nachmachen und Selberreimen animieren. Aber sie sollten schon Sinn machen und zur Geschichte passen, sagt Julia Donaldson - und reimt spontan los: "Here we are, sitting in a shop. We're havin' an interview. I wish it would stop. I can see a bike, the bike is outside. I would like to go on it and go for a ride ..." Sie lacht: "Das ist natürlich Quatsch!"

Ganz entscheidend ist der Sprecher. Nichts ist nerviger - auch für die mithörenden Eltern -, als ein Sprecher, der zu sehr auf die Tube drückt und im Bemühen, vermeintlich kindgerecht zu lesen, eine natürliche Betonung vermissen lässt. "Es ist wichtig, dass ich mein kleines Publikum ernst nehme und mit großer Achtung arbeite. Kinder fühlen genau wie wir, nur viel tiefer. Sie sind viel offener und empfindsamer", erklärt Ilona Schulz, die bei "Der Grüffelo" und "Das Grüffelokind" hinreißend alle Figuren spricht. Natürlich könne man seine Stimme verstellen oder einige der Figuren überzeichnen, "aber es gibt diesen bestimmten Ton, bei dem man denkt, dass Kinder zu blöd für Kultur sind", sagt Schulz.

Hörbücher sollten nicht als Babysitter eingesetzt werden und das abendliche Vorlesen ersetzen. Je kleiner die Kinder sind, desto wichtiger es ist, gemeinsam mit ihnen zu hören, um Fragen beantworten zu können und das Erlebnis zu teilen. Wir lernen: Ein gutes Kinderhörbuch sollte auch den Erwachsenen gefallen. "Das ist ganz wichtig", findet Illustrator Axel Scheffler, selbst Vater eines Kleinkindes, "schließlich müssen es Eltern ja rund 300 Mal mithören."